Kurt Udermann - Coaching

                                                                  


                                              Wir gestalten unser Miteinander in Freiheit und Liebe


Dienstag, 12. Juli 2022,auf dem Flug von Paris nach Wien
 
Eigentlich sollte die Maschine um 23:05 in Wien angekommen sein. Jetzt, um 23:40 Uhr sind wir gerade abgehoben. Sich ärgern hat keinen Sinn, sondern ich muss das Beste daraus machen. Ich schreibe! Ich habe Einiges nachzuholen. Gestern am Montag ließ ich mich vom Taxi zum Int. Flughafen von Medellin bringen. Der Fahrer war überpünktlich, was dazu führte, dass ich beim Einsteigen eine kleine Regenabfuhr bekam. Das Einchecken und die Sicherheitskontrollen verliefen problemlos. Gott sei Dank! Ich war auch guter Dinge. Und die Wartezeit verging auch relativ schnell. Um 16:25 Uhr kamen wir in Bogota an und um 17.00 Uhr war ich alle Stationen durchlaufen. Die Zeit bis 19:55 verbrachte ich gehend, lesend und lernend.
 
Der Flug nach Bogota dauerte alles in allem eine Stunde. Ich hatte ein wenig Mühe in Bogota den Int. Departure zu finden und musste nochmals die Kontrollen durchlaufen, was wiederum ohne Zwischenfälle verlief. Im Wartebereich ging ich wieder spazieren und beobachtete viel und las mit Freude „Unzertrennlich“. - Ich unterbreche für einen kleinen Imbiss. - Das Sandwich und der Rotwein haben mich aufgeheitert. Ich habe dann in „Unzertrennlich“ weitergelesen. Wir landeten in Wien bevor ich mit dem Buch fertig geworden bin. Der Koffer kam relativ schnell angerollt und ich ging zum Ausgang. Zug ging keiner mehr. Ich beschloss mit dem ersten Zug zum Hauptbahnhof zu fahren und weiter nach. Wenn alles gut geht bin ich zu Mittag zu Hause. Irgendwie bin ich sehr glücklich wegen all der Erlebnisse in den letzten Wochen und Tagen, besonders über die Begegnung mit Thomas, der die Gelassenheit in Person ist.

Medellin, Montag 11. Juli 2022
 
Heute ist der Tag der Heimreise. Ich hoffe, sie klappt so gut wie der Rückflug aus Paraguay. Selbst bei der Migration in Medellin, wo ich Schwierigkeiten erwartet hatte, blieben sie aus, obwohl dem Beamten der längere Auslandsaufenthalt aufgefallen war. Aber die Frau, die er konsultierte, beruhigte ihn. Aber jetzt noch die Eindrücke der vergangenen Woche. 

Am Montag, 5. Juli, haben wir um ca. 9:00 Uhr Ciudad del Este verlassen und uns in Richtung Asuncion aufgemacht, von wo ich über Panama, Medellin und am Montag, dem 11. Juli von Medellin über Bogota und Paris meinen Heimflug antreten werde. Von P. Walter von Holzen habe ich mich beim Frühstück verabschiedet. Erste Station war das von der Itaipu-Kraftwerks-Gesellschaft errichtete und unterhaltene Guarani-Museum. Neben der Itaipu-Kraftwerks-Ausstellung gegen Ende des Ausstellungs-Umgangs widmet sich der Großteil der bildlichen und schriftlichen Objekte und Darstellungen der Geschichte der  Guarani.
 
Angefangen von den Tieren, die sie jagten bis zu den Ton-Behältern, in denen sie bestattet wurden, gab es viel zu bestaunen. Natürlich spielten die Jesuiten eine große Rolle in der Geschichte der Guarani, die aus vielen Stämmen bestanden. Sie sind weniger bekannt als die Inka, Azteken und Maya, weil sie keine so großen, steinernen Baudenkmäler hinterlassen haben wie jene bzw. ihre Bauten unter Jesuiten-Reduktionen überliefert werden. Aber immerhin gibt es die Guarani noch. Imponierend und informativ sind die Panorama-Darstellungen, in denen sowohl die Indios am Wasser als auch die im Urwald jagenden in ihrer Lebenswirklichkeit gezeigt werden. Beeindruckt haben mich auch die unterschiedlich großen Bögen und deren Pfeile mit denen sie jagten und sich vermutlich auch verteidigten. Viele Funde versammeln kunstvolle Gegenstände des täglichen Lebens und des Schmuckes.
 
Auch die jüngere Geschichte wurde dokumentiert. Der „Triple-Allianz-Krieg“, ein Schandfleck in der Menschheitsgeschichte, allerdings wird verschwiegen. Vielleicht glaubt man auf diese Weise die Grausamkeit und Ungerechtigkeit dieses Krieges vergessen zu lassen. Dennoch präsentiert die Ausstellung viel Wissenswertes über das Volk der Guarani, das auf eine reiche Tradition zurückblicken kann. Sich ihrer bewusst zu werden, sie in die Gegenwart zu übersetzen und daran anzuknüpfen ist die große Aufgabe der heute lebenden Guarani.
 
In einem auf dem Weg liegenden Dorf, ein wenig abseits von der Hauptstraße, gaben wir die Dokumente für einen 21-jährigen Guarani ab, der bisher ohne Geburtsurkunde durchs Leben ging. Thomas hat den ganzen Prozess in die Wege geleitet. Wir machten Pause bei einer Tankstelle, wo nicht nur der Tank aufgefüllt wurde. Wir betraten ein kleines, angeschlossenes Geschäft, wo eine ehemalige Schülerin von Thomas arbeitet. Wir genossen einen Kaffee während die Beiden Erinnerungen austauschten. Die Ex-Schülerin studiert jetzt Architektur und jobbt nebenher, um sich das Studium zu finanzieren. Eine hübsche, junge und strebsame Frau.
 
Später wichen wir von der langweiligen, immer geradeaus führenden Hauptstraße ab, um eine hügelige und kurvenreiche Landstraße zu befahren und die weite und schier endlos scheinende Landschaft zu bewundern und um schließlich unser Ziel, das ehemalige Wirkungsfeld von Thomas in San Isidro de Curuguaty, zu erreichen. Hier hat er 16 Jahre als Direktor an der landwirtschaftlichen Schule mit Matura gewirkt. Wir wurden herzlich empfangen. Thomas hat ein sehr inniges Verhältnis zu den Schülern, Schülerinnen und Lehrkräften. Bei einem ersten kurzen Rundgang sahen wir das Vortrocknen auf offenem Feuer der Yerba-Stauden, aus denen der Mate-Tee hergestellt wird. Morgen werden sie weiterverarbeitet. Ich lernte auch Micheal, einen Freiwilligen aus München, kennen. Die Sekretärin brachte uns das Abendessen vorbei, einen köstlichen Fisch.
 
Am nächsten Tag, nach dem Frühstück, setzten wir unseren Rundgang fort. Zuerst suchten wir die Mate-Tee-Verarbeitung auf. Der Innenraum, in dem die vor-getrockneten Yerba-Stauden gelagert worden waren, wurde durch ein Feuer von außen erhitzt, um die Blätter zu trocknen, die dann gemahlen werden. Aus den gemahlenen Blättern wird dann der Mate-Tee zubereitet.
 
Wir warfen anschließend einen Blick in die Gewächshäuser, wo zurzeit hauptsächlich Paradeiser (Tomaten) und Paprika gezogen werden. Nächste Station war ein Feld auf dem Maniok angebaut wurde und wo die Setzlinge für die nächste Pflanzung vorbereitet werden. Auf dem Heimweg besuchten wir noch den Schweine-Stall und beobachteten das lustige Treiben der Küken.
 
Um 12:00 Uhr gab es das Mittagessen. An die 100 Schüler und Schülerinnen nahmen im Comedor Platz und genossen - wie wir - die roten Bohnen mit Nudeln und Maniok. Ich liebe Maniok, deren Frucht, die Wurzel, unter der Erde wächst wie die Kartoffel. Am späten Nachmittag waren wir bei einem ehemaligen Mitarbeiter der Schule zur Besichtigung seiner Wasser-Salat-Produktion und seiner Fischteiche. Die Salatpflänzchen werden in die Löcher von kleinen Wasserrohren "gepflanzt". Vor allem die Gastronomie weiß den schnecken- und erdfreien Salat sehr zu schätzen. Thomas, Michael und ich schauten uns am Abend den Film „7 Jahre in Tibet“ über den Kärntner Heinrich Harrer an.
 
Am Donnerstag besuchten wir das Reservat „Reserva natural del Bosque Mbaracayu“. Innerhalb des Reservats befindet sich eine landwirtschaftliche Schule für Mädchen mit einem Internat. Die Schülerinnen und Absolventinnen werden augenzwinkernd „Mädchen vom Wald“ genannt. Sie bekommen hier eine vielfältige Ausbildung, angefangen vom Kochen, Ackerbau und Viehzucht bis zum Tourismus-Management, da auch ein kleines Hotel den Gästen des Reservates zur Verfügung steht. Als wir ankamen wurden wir schon am Parkplatz begrüßt und zur Rezeption geführt und schließlich auf einen Weg in den Urwald entlassen.
 
An die zwei Stunden dauerte unsere Rundwanderung, nichts Spektakuläres, aber immerhin der Eindruck von der Dichte eines Urwaldes, der Hitze (obwohl hier Winter ist, was man vor allem in der Nacht merkt) und den lästigen Moskitos. Zum Glück hatten wir uns den Moskito-Abwehrkräften einer Creme, die Michael mitgebracht hatte, anvertraut. Ich musste an einen Roman denken, in dem die enormen Strapazen der Arbeiter beim Roden des Urwaldes für den Bau des Panamakanals beschrieben werden. Wieder zurück beim Ausgangspunkt bekamen wir noch eine Führung durch die Schule, die jener, die Thomas leitete und wo wir unser Quartier haben, sehr ähnlich ist. Für heute genug. Mittagsschläfchen, Kaffee und lesen… Am Abend feierten wir mit P. Pasqual aus Kenia, ebenfalls ein Steyler-Missionar, die hl. Messe in der Hauskapelle: Drei Europäer und ein Afrikaner feiern in einem fremden Land ihren gemeinsamen Glauben. Es gab nach der Verkündigung des Evangeliums einen ehrlichen und tiefen Austausch.
 
Weil Freitag morgens keinen Strom gab, verzögerte sich unsere Abreise. Als wir bereits zehn Minuten gefahren waren bekam Thomas einen Anruf. Ob er nicht noch ein Dokument nach Asuncion mitnehmen könne? Thomas kann natürlich immer. Er ist die Geduld und das Verständnis in Person. Tatsächlich war die Sekretärin mit der administrativen Aufgabe überfordert. Thomas konnte helfen. Während der Wartezeit machte ich noch einige Fotos von Kapelle und Küche. Schließlich konnten wir Richtung Asuncion, der Hauptstadt des Landes, losfahren. Gegen 11:00 äußerte ich den Wunsch nach einem guten, starken Kaffee. Allerdings musste ich mich eine halbe Stunde gedulden, dann aber gab es einen richtig guten Illy-Kaffee (in San Estanislao). Nicht wundern, aber die Welt ist verrückt: Wahrscheinlich wird der Kaffee irgendwo in Südamerika geerntet, in Italien oder in der Schweiz geröstet und dann superteuer in einem Nobel-Geschäft neben einer Tankstelle in Paraguay verkauft. Aber wir genossen ihn! Weiter gings durch eher flaches und leicht hügeliges Gebiet nach Tobati, wo wir einen sagenumrankten Hügel bestiegen und ins Land hineinschauten, das voll von größeren und kleineren Ziegelfabriken ist.
 
Nächstes Ziel war das Mariazell von Paraguay, dem geistlichen Zentrum des Landes: Caacupe. Die Gründungslegende hängt eng mit der Sage von Tobati zusammen. Für den Guarani-Schnitzer Josef, der Christ geworden war, hing das Leben an einem seidenen Faden als er von Guarani, die ihn verfolgten und töten wollten. Er betete und gelobte, dass er eine Muttergottes zum Dank für seine Rettung schnitzen werde. Er wurde gerettet und schnitzte, wie versprochen, zwei Bildnisse der Gottesmutter. Eine steht zur Verehrung in der Kirche von Tobati und die andere in der Wallfahrts-Basilika von Caacupe. Die Wallfahrtskirche in Caacupe ist imposant, aber irgendwie auch sehr schlicht, ein Zentralbau mit einer großen Kuppel. Ihr Bau wurde um 1945 begonnen und einige Male vergrößert. Papst Johannes Paul II. (1968) und Papst Franziskus (2015) haben sie bei ihren Pastoralreisen nach Lateinamerika besucht. Hinter dem Altar steht die Statue „Unserer Lieben Frau von Caacupe“, auf der Rechten eine vom „Hl. Josef mit dem Kind“ und auf der Linken eine Statue von Roque Gonzalez de Santa Cruz, dem Jesuiten, der 1988 als erster Paraguayer heiliggesprochen wurde. Das Patronatsfest findet am 8. Dezember statt mit Menschenmengen, die den tiefen Glauben der Paraguayer zum Ausdruck bringen.
 
Gegen 20:00 Uhr kamen wir wohlbehalten und guter Dinge und mit vielen neuen Eindrücken in Asuncion an.

Der Samstag war der Besichtigung von Asuncion gewidmet. Viel an Sehenswürdigkeiten gäbe es in der Hauptstadt von Paraguay nicht zu sehen - offenbart der Reiseführer. Wir fuhren in das Zentrum, um das Regierungsviertel zu besichtigen und, um an einem Seitenarm des Rio Paraguay entlang zu spazieren. Im Bereich des alten Regierungssitzes wird man gewarnt: Hier weiter zu gehen sei gefährlich! Hier sind Protest-Hütten von Menschen, die den Staat zu hohen Ablösezahlungen zwingen wollen und ihn unter Druck setzen, indem sie Touristen verunsichern. Die umgesiedelten Guarani haben ebenfalls hier ihr Protestlager aufgeschlagen gehabt. Aber ihre Motive waren anderer Art. 


Die Kathedrale in der Nähe war geschlossen. Wir konnten nicht einmal einen Blick hineinwerfen. Wir schlenderten durch den „hauptstädtischen Bauernmarkt“, wo ich ein Trinkgefäß für den Mate-Tee kaufte, bis zum „National Pantheon of Heroes“, einer Gedenkstätte der Helden Paraguays. Hier begegneten wir bekannten Namen wie Francisco Solana Lopez (ehemaliger Präsident Paraguays), San Rocke (Jesuit u. erster einheimischer Heiliger) und den ersten Präsidenten des Staates. Natürlich besichtigten wir auch den eindrucksvollen, aber halbseitig wegen Renovierungs-Arbeiten abgedeckten „Palacio de Lopez“ (Präsidentenbüro und Regierungssitz). Nach einem kurzen Imbiss in der Nähe des geparkten Autos fuhren wir zu einem etwas erhöhten Ort, Cerro Lambare, benannt nach einem Häuptling der Ureinwohner, mit einem Denkmal der Gerechtigkeit. General und Präsident Stroissner, der sich ebenfalls einen Ehrenplatz an diesem Denkmal sichern wollte, wurde von erbosten politischen Gegnern „herabgestürzt“.

Noch ein letztes Mal liebe Grüße aus Medellin. Euer Kurt Udermann

 
Ciudad del Este, am Montag, 4. Juli 2022

 
Am vergangenen Montag war es dann soweit: ein Jugendtraum, die Jesuiten-Reduktionen in Paraguay mit eigenen Augen zu sehen, sollte sich erfüllen. Das Wetter in Encarnacion war vielversprechend: kein Wölkchen am Himmel. Nach dem Frühstück fuhren wir um 8:30 Uhr los. Nach ungefähr einstündiger Fahrt kamen wir bei der Reduktion „La Santisima Trinidad de Parana“ an. Es ist jene, von der die meisten Reste der großartigen Bauwerke und Zeugnisse des „Heiligen Experimentes“, wie es der Dichter Fritz Hochwälder bezeichnet, erhalten sind. Zuerst wurde uns ein Video gezeigt, in dem das Engagement des Jesuitenordens bei der Missionierung Südamerikas bzw. der Guarani anschaulich dargestellt wird: Weltkulturerbe zu sein ist Auszeichnung und Verpflichtung. Nach der sehr informativen Einführung ein paar hundert Meter zu Fuß bis zum ersten, atemberaubenden Anblick der imposanten Reste der Kathedrale, der Wohnhäuser der Guarani, der Jesuiten-Patres und der Glockenturm.
 
Die Reduktionen boten überall ein nahezu identisches Aussehen: in der Mitte befand sich die Kirche, drum herum die Wohnungen der Patres und die Vorratsräume. Um diesen Kern gruppierten sich die Wohnungen der Indios. Glocken riefen von einem imposanten Glockenturm die Getauften zum Gottesdienst. Die Kirchen in den Reduktionen hatten eine gewaltige Ausdehnung. Der Innenraum war zumeist mit Holzschnitzereien reich ausgestattet. Aufmerksamkeit ziehen auch die Werkstätten, die Kollegien, der Hauptplatz und die Gärten auf sich. Die sichtbaren Steinmetz- und Bildhauerarbeiten brauchen den Vergleich mit deren europäischen Kollegen nicht zu scheuen.
 
Wer durch das geschichtsträchtige Gelände geht kommt unweigerlich ins Träumen. Mir war dabei der Film „Mission“ und das Theaterstück „Das heilige Experiment“ eine Hilfe. Auch die Frage stellt sich ein: Was wäre Paraguay heute, wenn diese Reduktionen nicht zerstört und der Jesuiten-Orden nicht vertrieben worden wären, wenn es den „Triple-Allianz-Krieg“ nicht gegeben hätte?
 
Woher kommt der Name Reduktion? Im Jahr 1609 wurde der Jesuitenorden von der spanischen Krone zur Gründung solcher Reduktionen vor allem im Gebiet des heutigen Paraguay ermächtigt. Die Institution der Reduktionen gab es bereits seit frühesten Zeiten der Kolonialisierung Amerikas. Zunächst geboren als Mittel zur besseren Ausbeutung der indianischen Arbeitskraft auf den Antillen, wurden die Reduktionen, d.h. die Zusammenführung nomadisch oder halbnomadisch lebender Indianer zu größeren, ortsstabilen Lebensgemeinschaften, von Franziskanern im heutigen Guatemala erstmals als Instrument der Glaubensverkündigung angewandt. Insbesondere die Zusage des Schutzes gegenüber jeglicher Versklavung übte eine große Anziehungskraft auf zahlreiche Indios aus, um ihre bisherige Lebensart mit allem, was zu ihr gehörte, aufzugeben. Wenn auch die ersten Reduktionen sich schon vor dem Auftreten der Jesuiten in der lateinamerikanischen Mission finden, so war doch die Durchführung dieses Konzeptes durch die Missionare aus der Gesellschaft Jesu einzigartig. Diese Gebiete genossen völlige innere Autonomie, welche die Indios vor Ausbeutung und Versklavung schützte.
 
Das Jesuitenkolleg alter Prägung mit seiner strengen Tagesordnung lag dem Leben in der Reduktion vorbildhaft zugrunde. Müßiggang als aller Laster Anfang sollte nach Möglichkeit vermieden werden, weshalb Gebet, Arbeit und Freizeit genau geregelt waren. Die Familien ernährten sich vom Ertrag der Äcker, die ihnen gehörten; darüber hinaus war ein jeder noch zur Arbeit auf den Gemeinschaftsfeldern verpflichtet, deren Ernte für Notzeiten zurückgehalten wurde.
 
Der wachsende Hass gegen den Jesuitenorden verschonte im 18. Jahrhundert auch die Reduktionen nicht. Die Fama wurde in Umlauf gesetzt, die Patres horteten unermessliche Reichtümer in "ihrem" amerikanischen Staat, nachdem ihr tyrannisches Regime die Indios bis aufs Blut ausgesaugt habe. Die Existenz eines selbständigen Heeres unter Führung des Ordens gab den Gerüchten weitere Nahrung, so dass nur noch die offene Rebellion gegen das spanische Regime fehlte, und selbst diese Mär lief gerüchteweise um. Solche Geschichten waren aber nichts als Lügen, die die wahren Ursachen vernebeln sollten, als man daran ging, den Reduktionen, dem fälschlich so genannten 'Jesuitenstaat' ein Ende zu bereiten.
 
Nach der ausführlichen Besichtigung fuhren wir ca. dreißig Minuten weiter zur Reduktion „Jesus de Tavarangüe“. Sie liegt ebenfalls auf einer Anhöhe, sodass sich die Reduktionen auch durch Signale verständigen konnten. Hier gibt es zwar weniger zu sehen, ist aber keineswegs weniger eindrucksvoll. Außer uns waren keine anderen Besucher anwesend. Wir saßen, schauten und hörten in die Stille.
 
Woran ich mich noch erinnere? Das Eine: Zwei Vögel griffen uns an. Offenbar waren wir ihrer Brut zu nahegekommen. Ich gestehe, ich bekam Angst und suchte laufend das Weite. Das Andere: Zwei Sträucher mit Früchten, die wie Orangen aussahen, keine sind, aber trotzdem gut schmecken. Sie heißen Apepu.
 
Am nächsten Tag hieß es Abschied nehmen von Encarnacion, der Stadt, die auch als eine Jesuiten-Reduktion gegründet worden war. In Obligacion mussten wir ein Dokument dem Direktor des Steyler-Gymnasiums St. Blas übergeben und besuchten den Friedhof der Steyler-Missionare. Auf der Fahrt konnten wir die unterschiedlichen Kolonisationsgebiete der Deutschen, Japaner und Koreaner gut unterscheiden. Weite, riesige Felder mit Mais, Hafer und Soja breiteten sich vor unseren Augen aus.
 
Unvergesslich ist auch der Kranken-Besuch bei einer ehemaligen Styler-Missionsschwester. Sie hat als Ordensfrau einen Singwettbewerb gewonnen und ist mit religiösen Songs berühmt geworden. Der Orden stellte sie vor die Wahl, das Singen beenden oder Austreten. Sie entschied sich fürs Austreten und begann zu unterrichten, erkrankte schwer an der Lunge und jetzt kam auch noch „Lupo“ hinzu. Keine bisschen Verbitterung: Wie ein Schmetterling mit kurzem Leben, aber frei sein.
 
Nach dem Ruhetag am Mittwoch stand am Donnerstag der nächste Höhepunkt am Programm. Eine Versammlung von einigen Guarani-Häuptlingen in einem Indianer-Dorf ca. eineinhalb Stunden Fahrtzeit entfernt. Thomas fuhr den Bus. Häuptling Carlos hatte neben seinem Stellvertreter auch einige 12 bis 15-Jährige mitgebracht. Sie sollten eine solche Versammlung miterleben. Mich überraschte ihre Disziplin bei der Hin- und Rückfahrt. Volle fünf Stunden standen sie bei dem Treffen und lauschten den Ausführungen der Kaziken. Carlos war sichtlich stolz auf sie. Der Gastgeber-Häuptling von Puente Flores eröffnete den Reigen der Ansprachen, zuerst stehend, dann hin- und hergehend. Alle Häuptlinge waren gewandte Redner, der eine etwas lauter, der andere leiser. Ich verstand höchstens einige spanische Einsprengsel, ansonsten alles in ihrer Muttersprache Guarani. Thomas übersetzte mir die wichtigsten Punkte: Wir müssen uns öfters treffen und mehr miteinander kommunizieren. Wir müssen mehr auf Bildung setzen. Wir müssen mit klaren Zielen mit den Behörden verhandeln. Wir müssen den Sinn unserer Traditionen für die Gegenwart erschließen.
 
Wenn die Friedenspfeife reihum gegangen wäre, hätte ich mich wie in einem Karl May-Film gefühlt. So ging nur der Mate-Becher im Kreis. In Zeiten wie diesen eine riskante Angelegenheit. Einmal stahl eine Henne, die mit ihren Küken durch den innersten Kreis der Versammlung stolzierte, einem Kaziken die Show. Es folgte eine Pause, um das Mittagessen einzunehmen. Nudelsuppe mit Brötchen für alle.
 
Nach dem Essen wurden Wahlreden gehalten. Die Anführer für den Assoziation-Ausschuss mussten gewählt werden. Ich nützte die Zeit, um hinter die Häuser zu schauen. Ich erschrak angesichts des Plastik-Mülls und dem Schmutz. Offenbar sind die Plastik-Produkte wie die Blätter des Baumes Teile der Natur und nicht weiter beachtenswert. Die Lehrer der Dorfschule sind sehr bemüht, aber ich glaube, sie haben noch nie einen Blick hinter die Häuser getan und die mangelnde Hygiene im Dorf zum Thema gemacht.
 
Ich hatte den Eindruck, dass das Treffen die Erwartungen aller Teilnehmer erfüllt hat und alle zufrieden nach Hause fuhren. Die Häuptlinge auf ihren zweirädrigen Pferdestärken.
 
Am Freitag wieder Besuch bei den umgesiedelten Guaranis. Die bescheidenen Hütten stehen. Der Strom wird recht abenteuerlich zu den Hütten und Zelten abgezweigt. Viel tierischer Nachwuchs und die begeistert, dankbare Feststellung, dass der nahegelegene Fluss viele Fische mit sich führt. Thomas hat Schwestern der „Unbefleckten Empfängnis“ gebeten, die Indios mit zu betreuen, denn sie wohnen in unmittelbarer Nähe des Dorfes. Das wird offenbar klappen. Mir hatte die Wintersonne ein wenig zugesetzt und abendliche Kopfschmerzen bereitet.
 
Am Samstag folgte der zweite Höhepunkt dieser Woche: Der Besuch der Iguazú-Wasserfälle in Brasilien. Früher waren sie ein Teil Paraguays. Wir fuhren problemlos über die Grenze. Der befürchtete Stau war ausgeblieben. Natürlich musste ich mich mit Stempel hier ab- und jenseits der Grenze anmelden, bei der Rückfahrt dieselbe Prozedur. In Erinnerung ist mir ein mürrischer paraguayischer und ein freundlicher brasilianischer Migrationsbeamter geblieben, der mit seinen wenigen deutschen Wörtern Eindruck hinterließ. Um 11:00 Uhr brasilianischer Zeit stiegen wir in den Bus, der uns zu den Wasserfällen brachte. Wir waren nicht die einzigen Touristen.
 
Nachdem wir ausgestiegen waren, wanderten wir einen gut angelegten Wanderweg bis zum „Teufelsschlund“. 20 große und 255 kleinere Wasserfälle gibt es zu bestaunen. Manche sind bis zu 80 Meter hoch, die meisten um die 60 Meter. Nach jedem Wegstück ohne Blick auf die Fälle und nach neuerlicher Freigabe der Sicht blieb wieder der Mund offen. So viele Wasserfälle und immer wieder anders und größer und… Wahrhaft ein Weltwunder! Staus gab es an den besonders attraktiven Stellen zum Fotografieren. Begeisterte und fröhliche Gesichter rundherum. Ein idealer Ausflugstag und -ziel für die ganze Familie.
 
Letzte Station ist also der Teufelsschlund mit einem 600 Meter langen Steg. Wer sich trocken auf den Steg begibt kommt „wasch nass“ zurück. Ich zog vor trocken zu bleiben. Alterserscheinung? Das bekam ich bestätigt. Beim Warten auf die Rückfahrt erbat eine Frau für ihren älteren Mann eine Sitzgelegenheit. Der Angestellte rief die beiden zu den Sitzplätzen und gab auch mir zu verstehen, dass ich auch ein Recht auf altersgemäße Sonderbehandlung hätte. Sehr nett, aber danke!
 
Herzliche Grüße, zum letzten Mal aus Paraguays zweitgrößter Stadt Ciudad del Este, Euer Kurt Udermann
 
Wer den Steyler Missionar Thomas Hassler bei seiner Arbeit mit den Guaranis unterstützen möchte, kann das gerne tut. Jeder Euro wird sinnvoll und direkt eingesetzt: IBAN: AT26 2011 1800 8068 0800 mit dem Hinweis: Th. Hassler; Spenden können von der Steuer abgesetzt werden: info@steylermission.at
 
(Der letzte Brief folgt nächste Woche) 


Ciudad del Este, Dienstag, am 28. Juni 2022


Den Montag Vormittagnützte ich um "anzukommen". Am Nachmittag spazierten wir zum „See der Republik“,an dem wir schon vorbeigefahren waren. Es ist ein schöner See mit einemgepflegten Weg rundherum, der stark frequentiert ist von Wanderern und Läufern.Zum Baden allerdings nicht geeignet, weil die niedlichen, kleinen Paraguay-Krokodiledie Ufer unsicher machen und zudem ziemlich gut getarnt sind. Auf dem Weg hinund zurück sind die Büros des Itaipu-Stauwerkes unübersehbar.


FürDienstag war der erste Besuch bei den Guarini (-Indianern- Projekto Nehemias)angesagt. Es handelt sich um eine Gemeinschaft in der Stadt. Die GemeindeCiudad del Este hat ihnen den Grund zur Verfügung gestellt, eine Schule gebautund bezahlt eine engagierte Lehrerin. Die Ziegelhäuser haben die Indigenenselbst gebaut. Die Verantwortlichen der Stadt sind ernsthaft gewillt Hilfe zurSelbsthilfe anzubieten. Die Armut hat mich weniger betroffen gemacht als diehygienischen Zustände. Da müsste die Gemeinde intensivere Bewusstseinsbildungbetreiben, denn es gibt keine Krankenversicherung und im Krankheitsfall fallendie Guarini ganz gewiss durch den Sozial-Rost. Wovon sie leben? Als ehemaligeJäger und Sammler betätigen sie sich als Sammler der Abfälle und verkaufen sieweiter. Ob die Gemeinde sie nicht bei der städtischen Müllabfuhr anstellenkönnte? Falls sich die Guarini in ein Abhängigkeitsverhältnis zwängen lassen.Die kleinen Buben jedenfalls waren sehr kreativ bei den Spielen, die wirbeobachteten. Der Häuptling zeigte stolz die erste Sickergrube, die sie selbstgebaut haben. Ein Ehepaar mit Baby nahmen wir zu einer Krankenstation mit. Thomasund ich fuhren weiter zur Radiostation des Ordens, die momentan nicht inBetrieb ist, weil Kupferdrähte der Antenne AM das Interesse der Diebe geweckthatten. Die Reparaturarbeiten gehen gut voran, sodass der Betrieb bald wiederaufgenommen werden kann.


Amfolgenden Tag fuhren wir zum Touristen-Empfang des imposanten Itaipu-Wasserkraftwerkes,das am 5. Mai 1984 nach zehnjähriger Bauzeit eröffnet wurde. EinEinführungsvideo und eine Busrundfahrt ist Teil der wirksamenÖffentlichkeitsarbeit des Gemeinschaftsprojektes von Paraguay und Brasilien.Das Projekt Verschlang Unsummen an Geld (an die 20 Milliarden US-Dollar), machtsich aber bezahlt. Der Großteil des Stroms (90 Prozent) geht nach Brasilien.Paraguay ist reich an Wasser und kann genug Strom produzieren. Die Größe derAnlage betreffend gibt es in China ein größeres Werk, aber was die Stromgewinnungskapazitätbetrifft hat Itaipu die Nase voran (die Turbinen können etwa 14 GW elektrischeLeistung erzeugen – 18 Francis-Turbinen und 2 Voith Hydro).


Donnerstag nachmittags besuchten wir eine Gemeinschaftder Maka-Indianer, ziemlich im Zentrum der Stadt Ciudad del Este und an derGrenze zu Brasilien gelegen. Der Häuptling begrüßte uns am Eingang desGebäudekomplexes. Thomas erzählte mir, dass sie sich vor vielen Jahren hier, damalsnoch weit außerhalb der Stadt, niedergelassen hatten. Mittlerweile istrundherum alles verbaut und sie erleben sich mittendrin. Weil ohneBaubewilligung errichtet, gibt es sie offiziell nicht. Thomas, der erst seitkurzer Zeit mit der Aufgabe der Indianer-Seelsorge betraut wurde, ist bemühtvertrauensbildende Initiativen zu setzten. 

Die Lebensbedingungen dieser Indianergemeinschaft sindkatastrophal. Viel Schmutz und ungesunde Ernährung. Nicht nur die Armut isthimmelschreiend, sondern vor allem die hygienischen Bedingungen. Zweilebensgefährliche Stiegen haben schon einige Kinder "abgeworfen".Warum die jungen Männer der Gemeinschaft nicht Hand anlegen, weiß ich nicht.Sie warten bis etwas von außen kommt. Die Gemeinschaft lebt von den handgefertigtenProdukten die, die Frauen herstellen und verkaufen. Eine soziale Einrichtung müsstehier aktiv werden, die Fähigkeiten und Begabungen der Jugendlichen erkunden undihr Interesse für deren Nutzung zum Wohle ihrer Gemeinschaft und der Stadt wecken.Hier hat Paraguay noch viel zu tun.

Gestern, am Freitag, wurden Thomas und ich Zeugeneiner schlecht organisierten Indianerumsiedlung von Asuncion hierher in denLandkreis von Ciudad del Este (Alto Parana). Thomas, der für die kirchlicheBetreuung der Indianer, hauptsächlich Guarini, zuständig ist, wurde gebeten denAbschlussbericht der Umsiedlung durch seine Unterschrift zu bestätigen. Wirwarteten an einem vereinbarten Ort auf die Ankunft des Konvois. Er bestand auseinem Polizei-Bus, in dem die Menschen und einigen Militär-Lastkraftwagen, indem die wenigen Habseligkeiten, die bei uns bei einem Fetzenmarkt nichtangenommen werden würden, transportiert wurden.

Auf den ersten Blick sah alles wohl organisiert undbeeindruckend aus. Sogar Polizei und Militär stellten sich in den Dienst derSache. Als mit dem Abladen der bescheidenen Güter begonnen wurde kamen dieersten Protestierenden. Der für die Indigenen vorgesehene Platz sei achtKilometer von hier entfernt, behaupteten sie. Denn das seien ihre Grundstücke. 

Faktum: Die staatliche Organisation INDI, die für dieDurchsetzung der Rechte der Urbevölkerung Paraguays zuständig ist, hat vorJahren dieses Stück Land den Guarini zugewiesen. Sie wurden vertrieben, weilinzwischen Brasilianer gekommen waren und das Land ebenfalls erworben hatten.Korrupte Beamte hatten den Besitz der Indianer ignoriert. Schließlich wurde nunvon oberster Stelle der Beschluss gefasst, die Indianer in ihr ursprünglichesSiedlungsgebiet zurückzuführen. Freilich ohne den Brasileros durch Bescheidmitzuteilen, dass ihre Rechte auf das Land obsolet geworden sind. Jedenfallshaben die Brasilianer durch eine offizielle schriftliche Eingabe, nicht zuUnrecht, die Entfernung der Indigenen, die schon einmal hier gelebt haben,gefordert. Der Staat ist offenbar nicht bereit, für das Fehlverhalten korrupterBeamter die Verantwortung zu übernehmen, die Brasilianer zu entschädigen unddie Guarini dort anzusiedeln, wo sie schon einmal gelebt hatten. Eine Nachbarinhat vor Vertretern der Menschenrechts-Organisation und Thomas bestätigt, dassdie Indios hier gelebt haben.

Die örtliche Polizei war alsbald vor Ort. Zunächstganz entschieden für die Brasilianer Partei ergreifend, in deren Ort sie ihreStation hatten und die vielleicht sogar von ihnen finanziert worden war. Abernachdem die resolute Häuptlingsfrau den Lageplan und die Resolution derRegierung vorlegte, änderte sich deren Haltung grundlegend. Allerdings wurdeden Indianern für die Nacht kein Polizeischutz gewährt. 

Samstag früh hat Thomas übrigens erfahren, dass der Präsidentder INDI ins "vorläufige" Lager der Guarini-Indianer unterwegs ist.Andererseits droht Indigenen die Räumung aufgrund der Intervention dereinflussreichen Brasilianer, die sich hier auf legale Weise angesiedelt hatten,aber die paraguayische Staatsbürgerschaft nicht besitzen. Eine verfahreneAngelegenheit, deren Leidtragende die Schwächsten sind, die Ureinwohner desLandes, die Guarini.

Ein knappes Abendbrot Freitag abends, die Reisetaschezusammengepackt, noch einen Kaffee und ab in den Landrover nach Encarnacion, wowir erstmals Jesuiten-Reduktionen besichtigen werden. Samstag früh, vor demFrühstück mit Pater Provinzial machten wir einen kleinen Spaziergang undbesichtigten die Schule (2000 Schüler) und die Kirche der Steyler-Missionare,die dem ersten einheimischen Heiligen, San Roque, einem Jesuiten, geweiht ist.Unterwegs hielt uns ein Mann eine fromme Morgenbetrachtung und verkaufte unsganz nebenbei vier Chipas. Zum Glück, denn Pater Provinzial war nichterreichbar und wir hatten dennoch unser Frühstück im Hotel (der SteylerMissionare). Da die Frau im Frühstückssaal nicht wusste, wer wir waren, fielunser Frühstück kärglich aus. Wir bekamen zuerst nur warme Milch, dann nachmeiner Bitte auch Kaffeepulver und Marmelade. Das Mittagessen teilten wir mit P.Provinzial und P. Wilfried (Schlesier). Es gab einen indischen Eintopf. 

Nach der Mittagspause gingen Thomas und ich denStausee entlang und schließlich zur Kathedrale von Encarnacion. Sie ist einschlichter, einfacher Bau, der aber viel Tiefe und Ruhe ausstrahlt. Auf demHeimweg entdeckte ich auf einem Restaurant-Schild die österreichische Flaggeund wir traten ein. Alexa, eine Tirolerin, ihr Sohn Daniel, sowie zwei Männermit Spitznamen Waldi begrüßten uns. Später kam noch Uli aus München dazu. Ichweckte bei Alexa Heimatgefühle als ich ihr "Tirol du bist so schön!"vorspielte, das ein Brasilianer mit großer Leidenschaft gesungen hatte. Und derKaffee war auch etwas stärker als wir ihn sonst bekamen. Abends gab es Pizza im"Hotel". Die Messe mit P. Andres war ein kleiner Albtraum. Erpredigte bei der Hochzeitsmesse überlange und weil er sehr schnell sprach undGuarini-Ausdrücke einflocht, verstand ich kaum etwas, sodass ich auch nichtmitlachen konnte.

Am Sonntag: Frühstück mit P. Wilfried, danachSpaziergang zur Kathedrale, wo die Messe schon um 9:00 Uhr stattgefunden hatte.Langer Heimweg. Mittagessen mit P. Provinzial Santiago (Jakob),  P. Stani, dem Direktor der Schule (und Inderwie P. Provinzial) und P. Wilfried. Es gab heute indischen Fischeintopf.

Am Nachmittag Besuch des Wallfahrtsortes Maria Itacuain der Nähe von Encarnacion mit einer stimmungsvollen Grotte am Stausee. Anschließendfuhren wir zum Hauptplatz von Encarnacion, wo wir den Schwestern von derUnbefleckten Empfängnis einen Besuch abstatteten. Mit zwei von den vier paraguayanischen Schwestern hat Thomas in der Indianermission zusammengearbeitet. Da gab esviele Erinnerungen auszutauschen. Morgen erwartet uns der absolute Höhepunkt: zweiReduktionen der Jesuiten unweit von Encarnacion.

Herzliche Grüße aus dem faszinierenden Paraguay, Euer Kurt Udermann


Ciudad del Este, Paraguay, Montag, 20. Juni 2022
 
Nach einem siebenstündigen Besuch im Barrio, Comuna 13 in Medellin mit seiner traurigen Geschichte, den Graffitis und den Bemühungen durch den Tourismus eine Einnahmequelle zu schaffen war es an der Zeit den Koffer zu packen für die Abreise aus Medellin nach Asuncion. Das ging relativ schnell. Obwohl ich einige Kleider einem durch Vorbeigehen vertraut gewordenen Bettler übergab war mein Koffer nicht viel leichter geworden. Ob ich das jemals schaffen werde mit leichterem Gepäck zu reisen? Gewiss ist, dass die letzte Reise ganz ohne Gepäck sein wird.
 
Ich flog mit der Copa Air nach Panama, wo ich vier Stunden auf den Anschluss nach Asuncion warten musste. Erstaunlicherweise gab es kein Gratis-WiFi. Überhaupt kam mir der Flughafen sehr steril und unwirtlich vor. Um 15:40 Uhr endlich der Abflug nach Asuncion, der Hauptstadt von Paraguay. Der Flug war angenehm. Man hat den Eindruck, die Fluglinie spart, wo es nur geht. Wer keinen Kopfhörer mitgenommen hat, der kann weder Musik hören noch sich einen Film anschauen. Das Essen, das serviert wurde, war auch eher karg, kein Kaffee… Bei der Einreiseabfertigung gab es keine Probleme, der Beamte sehr freundlich. Der Flughafen ist eher klein und überschaubar. Das Gepäck folgte bald. Thomas Hasler wartete schon auf mich. Wir fuhren mit einem Taxi ins Haupthaus der Steyler Missionare, wo wir nächtigten.
 
Am Samstag brachte uns ein argentinischer Mitbruder zum Busbahnhof von Asuncion. Die Fahrt in einem modernen, bequemen Bus dauerte siebeneinhalb Stunden. Da herrliches Winterwetter mit Sonnenschein die Fahrt begleitete gab es viel zu schauen und Thomas erklärte mir viel: mehr als die erste Hälfte der Fahrt dominierte das Flachland mit Viehzucht. Immer wieder unterbrochen durch Eukalyptus-Wälder. In der zweiten Hälfte war die Gegend schon hügelig geworden und Ackerbau bestimmte das Landschaftsbild. Manchmal fuhren wir in eine Stadt, um Fahrgäste aussteigen zu lassen und neue aufzunehmen. Die Fahrt muss sich bezahlt machen. Immer wieder stiegen VerkäuferInnen ein und aus, um Getränke und Chipas anzupreisen. Entlang der Straße immer wieder Siedlungen, aber eher spärlich. Thomas machte mich auf eine große Mennoniten-Siedlung aufmerksam, die sich auf die Produktion von Mehl und Milchprodukten spezialisiert haben.
 
Thomas Hasler ist Schweizer aus dem Kanton St. Gallen und Steyler-Bruder-Missionar, der in Mödling bei Wien das Noviziat absolviert hat und über 30 Jahre Missionar hier in Paraguay ist. Knapp fünfzehn Jahre lebte er mit den Guarani-Indianern, den Ureinwohnern von Paraguay. In der darauffolgenden Zeit leitete er eine landwirtschaftliche Fachschule mit Matura und jetzt ist er in Ciudad del Este, um sich der Guarini anzunehmen, die in der Stadt gestrandet oder ihr Glück zu machen versuchen. Als ich zu Weihnachten in Altstätten zur Aushilfe war entstand über seine Tante mein Kontakt zu Thomas.
 
Thomas erzählte mir von den Guarinis, dass sie wie viele Indigene Jäger und Sammler waren, aber auch Fischer. Das prägt auch heute noch ihre Einstellung zum Leben. Solange es etwas zum Sammeln oder Jagen oder zu Fischen gab, blieben sie an einem Ort. Wenn alles abgeerntet war, zogen sie weiter. So entstand allmählich ihr Verständnis vom Leben als Weg. Sie sind unterwegs auf ein Ziel hin. Auf diesem Weg soll es Harmonie und Frieden geben. Wenn es Streit gibt, dann geht eine Streitpartei. Deshalb kommt es vor, dass Guarini ihre Heimatgemeinschaft verlassen und in einer der Städte oder sonst wo Zuflucht suchen. Wenn irgendwo jemand kommt und behauptet, das sei sein Land, werden sie nicht lange protestieren oder rebellieren, sondern weiterziehen. Aber irgendwann wird es kein freies Land mehr geben. Seit ihrer Zeit im „Jesuitenstaat“ hat sich ihre Situation und Wertschätzung nicht verbessert, sondern verschlechtert. Sie, die mit der Natur fühlen und leben, die sie nie ausgebeutet, sie sich untertan gemacht haben, sind die Verlierer, die Ausbeuter, die Gewinner. Wie ungerecht!
 
Am Sonntag wurde in Paraguay Fronleichnam und der Vatertag gefeiert. Um 8:00 und 10:00 Uhr wurden die Hauptgottesdienste gefeiert, natürlich mit Chor. Ich war um 10:00 Uhr bei der Hl. Messe. Sie dauerte zwei Stunden und war sehr würdig gestaltet. Ich war sehr ergriffen und beeindruckt.
 
Am Nachmittag brachte mich Thomas mit dem Auto zu einem gar nicht weit entfernten Wasserfall, der mich sofort an den Film „Mission“ erinnerte. Jener im Film war noch imposanter. Dennoch, der vor meinen Augen ist ein reißender Strom, der enorme Wassermassen mit sich führt. Die stromaufwärts rudernden Missionare mussten Boot und Inhalt des Bootes am Rücken auf den Berg schleppen um nach dem Wasserfall weiter zu fahren.
 
Nach dem Abendessen, auf ins Bett. Es war kalt und ich hatte absolut keine Lust mich zu waschen, drei Decken und der Wunsch möglichst schnell einzuschlafen! Mittlerweile ist die Kälte „gebrochen“ und das heiße Wasser steht mir zur Verfügung. Gott sei Dank!
 
Kolumbien hat gewählt. Eine historische Chance hat sich eröffnet. Ich hoffe, dass sie nicht verspielt wird. Weder vom Wahlsieger Gustavo Petro, noch von den Liberalen und Konservativen. Zu hoffen ist, dass sich in dem „reichen“ Land so etwas wie eine Sozialdemokratie entwickelt und eine gerechtere Verteilung der Ressourcen und des Gewinns durchsetzt ohne ins kommunistische Fahrwasser zu geraten.
 
Lieben Gruß aus der Grenzstadt zu Brasilien und Argentinien, Euer Kurt Udermann


Medellin, am 15. Juni 2022
 
Das vergangene Wochenende war turbulent. Ich habe meinen Koffer gepackt und das Zimmer aufgeräumt. Montag früh nahm ich ein Taxi und übersiedelte ins nicht weit entfernte Hotel Viktoria. Ursprünglich wurde mir ein Zimmer mit Blick auf die Stadt im fünften Stock zugesagt. Bekommen habe ich das Zimmer im achten mit einem traumhaften Panorama. Jetzt am Abend bewundere ich das Lichtermeer an beleuchteten Fenstern der Hochhäuser die sich vor mir im Oval an den Berghang schmiegen.
 
Dieses Zimmer war frei und dadurch konnte ich es gleich belegen. Das ging auch schnell. Dann machte ich mich auf den Weg ins Migrations-Büro. Ich hatte das Bedürfnis ausgiebig zu gehen. Zweieinhalbstunden dauerte der Marsch nach Belen. Und dann dort wieder die Erfahrung selbstherrlicher Beamter. Dreimal hatte ich ein Mail an das Büro gesandt. Jedes Mal bekam ich die Antwort, dass der Postkasten voll sei und keine neuen Mails angenommen werden. Ich wurde zu einem Schalter verwiesen, wo sich eine junge Frau mit einem Mann gut unterhielt. Mein Erscheinen knapp vor der Mittagspause haben sie offenbar nicht sehr geschätzt. Ich bekam keine Antwort auf meine Frage, ob ich denn in Paraguay eine Pre-Registratur ausfüllen müsse, wenn ich ohnehin eine Aufenthaltserlaubnis bis 12. Juli habe, ich am 10. zurückkomme und am 11. Kolumbien Richtung Heimat verlasse. Irgendwann merkte ich, dass es um etwas anderes geht: Ich darf nur zwei Wochen in Paraguay bleiben. Wollen die mir vorschreiben wie lange ich mich in einem Land aufhalte und mit welcher Logik zwei Wochen? Jedenfalls hatte ich einen solchen Ärger im Bauch, dass ich zu dessen Abbau auch zu Fuß nach Hause ging.
 
Spätesten nach der ersten Dusche mit warmen Wasser nach fünf Monaten Kaltwasserdusche war der Ärger verdunstet. Ich rief Reinhold, den Chef der Stiftung in Pasacaballos an und erzählte ihm von meinem Erlebnis. Er meinte, ich solle das einfach vergessen und bei der Rückkehr so tun als hätte ich es nicht gewusst. Im schlimmsten Fall müsste ich € 150,- Strafe bezahlen. Eine Flugumbuchung würde € 300,- kosten.
 
Helga und Anna aus Neustift sind aus Santa Marta zurückgekommen. Gestern machten wir eine Exkursion zu einer Kaffee-Plantage. Der Führer sprach sehr gut Englisch und sprach leidenschaftlich über Kaffee-Anbau, Ernte, Vermarktung und Zubereitung. Amüsant erzählte er die Entdeckung des Kaffees.
 
Ein weiser Mann in Äthiopien hatte Ziegen. Eines Tages bemerkte er, dass seine Ziegen heiter herumspringend nach Hause kamen. Die gute Laune seiner Ziegen freute ihn. Natürlich interessierte ihn, warum seine Milchspender so glücklich sind. Am nächsten Tag beobachtete er, dass sie von einem Strauch die Früchte essen und toll herumhüpften. Und wenn seine Ziegen glücklich sind solls ihm recht sein. Aber es stellte sich heraus, dass auch die Milch seiner Ziegen besser geworden war. Und der Ruf der besten Ziegenmilch verbreitete sich. Die Araber erfuhren davon und wollten eine ebenso gute Ziegenmilch. Sie holten sich Ziegen aus Äthiopien. Aber leider war deren Milch nicht besser. Es dauerte eine gewisse Zeit bis sie merkten, dass es nicht an den Ziegen, sondern an den Kaffee-Kirschen lag und dann begann der Siegeszug des Kaffees. Übrigens sind die Finnen diejenigen, die verhältnismäßig am meisten Kaffee trinken. „Den Kaffee genießen wie den Wein.“ Das gab uns Mateo mit auf den Weg.
 
Heute waren wir im Zentrum der Stadt. Wie oft wurde ich gewarnt, dass es dort sehr gefährlich sei. Keine einzige Situation, die auch nur den Anschein einer gewissen Gefahr gehabt hätte. Allerdings war die Polizei auf der Plaza Botero gut vertreten. Die vollschlanken Bronze-Plastiken des einheimischen Künstlers Botero sind die Hauptattraktion im Zentrum.
 
Bei meiner Paraguay-Lektüre stieß ich auf die Tatsache, dass es viele Deutschstämmige im Land gibt, besonders in einigen Gebieten; dass Paraguay in der deutschen Presse im 19. Jahrhundert um deutsche Einwanderer geworben hat. Ob das der Grund dafür war, dass Karl May seine zwei Bücher, die von Südamerika handeln „Am Rio de la Plata“ und „In den Kordilleren“ in diesem Land ansiedelte?
 
Herzliche Grüße aus Medellin, Euer Kurt Udermann


Montag, am 6. Juni 2022
 
Schnell ist die Zeit vergangen und ich muss wieder ans Abschiednehmen denken. Am kommenden Montag werde ich für einige Tage in ein Hotel ziehen, um „Urlaub“ zu machen bzw. mich auf die Paraguay-Reise vorzubereiten. Also Zeit, um innezuhalten und Rückschau zu halten.
 
Die Stiftung, in der ich mitarbeiten durfte, wurde von einem Priester ins Leben gerufen, der heute noch liebevoll Albertico genannt wird. Er hat in Europa unter anderem in Deutschland studiert. In einer bayrischen Familie hatte er Heimat gefunden. Nachdem er aus Europa nach Kolumbien zurückgekehrt war, hat er sich neben der Lehre auch der Arbeit für die Armen gewidmet und die Stiftung ins Leben gerufen, die heute nach seinem Tod, seinen Namen trägt.
 
Von Anfang an haben ihn seine Freunde, deren Familien und Spender aus Deutschland großzügig unterstützt. Die Stiftung befindet sich im Armenviertel Nikitau in Medellin. Die Kurse, die die Stiftung anbietet, reichen vom Schuhe- und Handyreparieren, kochen und backen bis zum Englisch- und Selbstermächtigungs-Kurs (Betriebsgründung). Teilnehmer sind hauptsächlich Frauen, aber nicht nur, junge und alte Menschen. Ich lehrte einer Gruppe von fünf Personen Deutsch und einigen half ich in Englisch den Anschluss zu finden. Mit einem Kolumbianer, der den Großteil seines Lebens in Venezuela verbracht hatte und nach Medellin zurückgekehrt ist, machte ich die Erfahrung, dass sich zwei, die eine neue Sprache lernen oder vertiefen, gut vorankommen, indem sie in der Fremdsprache kommunizieren. D.h. er sprach Deutsch und ich versuchte es in Spanisch. Außerdem war es interessant seine Meinung über Venezuela, Maduro und Kolumbien kennen zu lernen.
 
Auch beim Deutschunterricht war ich gefordert, sollte ich doch einiges auf Spanisch erklären. Schwer tat ich mir mit der Tatsache, dass die Leitung der Stiftung für bestimmte Parteien und Wahlwerber aktiv Werbung betreibt. Mir kommt das als kontraproduktive Manipulation vor. Aber ich bin Ausländer, der vieles in diesem Land und in dieser Stadt nicht versteht. Aber insgesamt bin ich für die Zeit in der Stiftung sehr dankbar.
 
Viele Kolumbianer haben mich immer wieder gewarnt, dass ich ja vorsichtig sein solle. Das hat mich doch ein wenig verunsichert und gelähmt. Die Menschen, denen ich begegnete und mit denen ich sprach, waren allerdings alle sehr freundlich, aufgeschlossen und entgegenkommend. Offenbar prägt die Schreckensperiode Pablo Escobars immer noch das Denken der Menschen.
 
Froh bin ich Österreicher zu sein, wenn ich an das Wirken der örtlichen Behörden denke. Wegen der Rückreiseformalitäten aus Paraguay habe ich E-Mails an das Migrations-Büro und an den Volksanwalt geschrieben. Die Antwort: Die Postkästen sind voll. Ich soll es nochmals versuchen. Nach dem vierten Anlauf habe ich es aufgegeben. Übermorgen werde ich mich persönlich zum Migrations-Büro begeben und die Beamten-Autorität „verkosten“. Ich vergesse aber nicht die gute Erfahrung bei der Beantragung der Aufenthaltsverlängerung.
 
Mit meinen Gedanken bin ich oft schon bei den Jesuiten-Reduktionen in Paraguay. Das Theaterstück „Das heilige Experiment“ des österreichischen Autors Fritz Hochwälder und der Film „Mission“ mit Robert De Niro halten die Erinnerung an dieses geschichtliche Ereignis lebendig. Dazu kommt das himmelschreiende Verbrechen des Krieges der „Triple-Allianz“ (Argentinien, Uruguay und Brasilen) gegen Paraguay. Ein Völkermord, deren treibende Kraft und finanzieller Nutznießer Großbritannien war. Wie man sieht, Hab- und Machtgier sind nichts Neues! Hat sich die Menschheit wirklich weiter entwickelt, technisch ja! Menschlich auch?  
 
Herzliche Grüße aus der Stadt des ewigen Frühlings, Euer Kurt Udermann.
 
 
 
Medellin, am 15. Juni 2022
 
Das vergangene Wochenende war turbulent. Ich habe meinen Koffer gepackt und das Zimmer aufgeräumt. Montag früh nahm ich ein Taxi und übersiedelte ins nicht weit entfernte Hotel Viktoria. Ursprünglich wurde mir ein Zimmer mit Blick auf die Stadt im fünften Stock zugesagt. Bekommen habe ich das Zimmer im achten mit einem traumhaften Panorama. Jetzt am Abend bewundere ich das Lichtermeer an beleuchteten Fenstern der Hochhäuser die sich vor mir im Oval an den Berghang schmiegen.
 
Dieses Zimmer war frei und dadurch konnte ich es gleich belegen. Das ging auch schnell. Dann machte ich mich auf den Weg ins Migrations-Büro. Ich hatte das Bedürfnis ausgiebig zu gehen. Zweieinhalbstunden dauerte der Marsch nach Belen. Und dann dort wieder die Erfahrung selbstherrlicher Beamter. Dreimal hatte ich ein Mail an das Büro gesandt. Jedes Mal bekam ich die Antwort, dass der Postkasten voll sei und keine neuen Mails angenommen werden. Ich wurde zu einem Schalter verwiesen, wo sich eine junge Frau mit einem Mann gut unterhielt. Mein Erscheinen knapp vor der Mittagspause haben sie offenbar nicht sehr geschätzt. Ich bekam keine Antwort auf meine Frage, ob ich denn in Paraguay eine Pre-Registratur ausfüllen müsse, wenn ich ohnehin eine Aufenthaltserlaubnis bis 12. Juli habe, ich am 10. zurückkomme und am 11. Kolumbien Richtung Heimat verlasse. Irgendwann merkte ich, dass es um etwas anderes geht: Ich darf nur zwei Wochen in Paraguay bleiben. Wollen die mir vorschreiben wie lange ich mich in einem Land aufhalte und mit welcher Logik zwei Wochen? Jedenfalls hatte ich einen solchen Ärger im Bauch, dass ich zu dessen Abbau auch zu Fuß nach Hause ging.
 
Spätesten nach der ersten Dusche mit warmen Wasser nach fünf Monaten Kaltwasserdusche war der Ärger verdunstet. Ich rief Reinhold, den Chef der Stiftung in Pasacaballos an und erzählte ihm von meinem Erlebnis. Er meinte, ich solle das einfach vergessen und bei der Rückkehr so tun als hätte ich es nicht gewusst. Im schlimmsten Fall müsste ich € 150,- Strafe bezahlen. Eine Flugumbuchung würde € 300,- kosten.
 
Helga und Anna aus Neustift sind aus Santa Marta zurückgekommen. Gestern machten wir eine Exkursion zu einer Kaffee-Plantage. Der Führer sprach sehr gut Englisch und sprach leidenschaftlich über Kaffee-Anbau, Ernte, Vermarktung und Zubereitung. Amüsant erzählte er die Entdeckung des Kaffees.
 
Ein weiser Mann in Äthiopien hatte Ziegen. Eines Tages bemerkte er, dass seine Ziegen heiter herumspringend nach Hause kamen. Die gute Laune seiner Ziegen freute ihn. Natürlich interessierte ihn, warum seine Milchspender so glücklich sind. Am nächsten Tag beobachtete er, dass sie von einem Strauch die Früchte essen und toll herumhüpften. Und wenn seine Ziegen glücklich sind solls ihm recht sein. Aber es stellte sich heraus, dass auch die Milch seiner Ziegen besser geworden war. Und der Ruf der besten Ziegenmilch verbreitete sich. Die Araber erfuhren davon und wollten eine ebenso gute Ziegenmilch. Sie holten sich Ziegen aus Äthiopien. Aber leider war deren Milch nicht besser. Es dauerte eine gewisse Zeit bis sie merkten, dass es nicht an den Ziegen, sondern an den Kaffee-Kirschen lag und dann begann der Siegeszug des Kaffees. Übrigens sind die Finnen diejenigen, die verhältnismäßig am meisten Kaffee trinken. „Den Kaffee genießen wie den Wein.“ Das gab uns Mateo mit auf den Weg.
 
Heute waren wir im Zentrum der Stadt. Wie oft wurde ich gewarnt, dass es dort sehr gefährlich sei. Keine einzige Situation, die auch nur den Anschein einer gewissen Gefahr gehabt hätte. Allerdings war die Polizei auf der Plaza Botero gut vertreten. Die vollschlanken Bronze-Plastiken des einheimischen Künstlers Botero sind die Hauptattraktion im Zentrum.
 
Bei meiner Paraguay-Lektüre stieß ich auf die Tatsache, dass es viele Deutschstämmige im Land gibt, besonders in einigen Gebieten; dass Paraguay in der deutschen Presse im 19. Jahrhundert um deutsche Einwanderer geworben hat. Ob das der Grund dafür war, dass Karl May seine zwei Bücher, die von Südamerika handeln „Am Rio de la Plata“ und „In den Kordilleren“ in diesem Land ansiedelte?
 
Herzliche Grüße aus Medellin, Euer Kurt Udermann

Pfingstmontag, 6. Juni 2022
 
Schnell ist die Zeit vergangen und ich muss wieder ans Abschiednehmen denken. Am kommenden Montag werde ich für einige Tage in ein Hotel ziehen, um „Urlaub“ zu machen bzw. mich auf die Paraguay-Reise vorzubereiten. Also Zeit, um innezuhalten und Rückschau zu halten.
 
Die Stiftung, in der ich mitarbeiten durfte, wurde von einem Priester ins Leben gerufen, der heute noch liebevoll Albertico genannt wird. Er hat in Europa unter anderem in Deutschland studiert. In einer bayrischen Familie hatte er Heimat gefunden. Nachdem er aus Europa nach Kolumbien zurückgekehrt war, hat er sich neben der Lehre auch der Arbeit für die Armen gewidmet und die Stiftung ins Leben gerufen, die heute nach seinem Tod, seinen Namen trägt.
 
Von Anfang an haben ihn seine Freunde, deren Familien und Spender aus Deutschland großzügig unterstützt. Die Stiftung befindet sich im Armenviertel Nikitau in Medellin. Die Kurse, die die Stiftung anbietet, reichen vom Schuhe- und Handyreparieren, kochen und backen bis zum Englisch- und Selbstermächtigungs-Kurs (Betriebsgründung). Teilnehmer sind hauptsächlich Frauen, aber nicht nur, junge und alte Menschen. Ich lehrte einer Gruppe von fünf Personen Deutsch und einigen half ich in Englisch den Anschluss zu finden. Mit einem Kolumbianer, der den Großteil seines Lebens in Venezuela verbracht hatte und nach Medellin zurückgekehrt ist, machte ich die Erfahrung, dass sich zwei, die eine neue Sprache lernen oder vertiefen, gut vorankommen, indem sie in der Fremdsprache kommunizieren. D.h. er sprach Deutsch und ich versuchte es in Spanisch. Außerdem war es interessant seine Meinung über Venezuela, Maduro und Kolumbien kennen zu lernen.
 
Auch beim Deutschunterricht war ich gefordert, sollte ich doch einiges auf Spanisch erklären. Schwer tat ich mir mit der Tatsache, dass die Leitung der Stiftung für bestimmte Parteien und Wahlwerber aktiv Werbung betreibt. Mir kommt das als kontraproduktive Manipulation vor. Aber ich bin Ausländer, der vieles in diesem Land und in dieser Stadt nicht versteht. Aber insgesamt bin ich für die Zeit in der Stiftung sehr dankbar.
 
Viele Kolumbianer haben mich immer wieder gewarnt, dass ich ja vorsichtig sein solle. Das hat mich doch ein wenig verunsichert und gelähmt. Die Menschen, denen ich begegnete und mit denen ich sprach, waren allerdings alle sehr freundlich, aufgeschlossen und entgegenkommend. Offenbar prägt die Schreckensperiode Pablo Escobars immer noch das Denken der Menschen.
 
Froh bin ich Österreicher zu sein, wenn ich an das Wirken der örtlichen Behörden denke. Wegen der Rückreiseformalitäten aus Paraguay habe ich E-Mails an das Migrations-Büro und an den Volksanwalt geschrieben. Die Antwort: Die Postkästen sind voll. Ich soll es nochmals versuchen. Nach dem vierten Anlauf habe ich es aufgegeben. Übermorgen werde ich mich persönlich zum Migrations-Büro begeben und die Beamten-Autorität „verkosten“. Ich vergesse aber nicht die gute Erfahrung bei der Beantragung der Aufenthaltsverlängerung.
 
Mit meinen Gedanken bin ich oft schon bei den Jesuiten-Reduktionen in Paraguay. Das Theaterstück „Das heilige Experiment“ des österreichischen Autors Fritz Hochwälder und der Film „Mission“ mit Robert De Niro halten die Erinnerung an dieses geschichtliche Ereignis lebendig. Dazu kommt das himmelschreiende Verbrechen des Krieges der „Triple-Allianz“ (Argentinien, Uruguay und Brasilen) gegen Paraguay. Ein Völkermord, deren treibende Kraft und finanzieller Nutznießer Großbritannien war. Wie man sieht, Hab- und Machtgier sind nichts Neues! Hat sich die Menschheit wirklich weiter entwickelt, technisch ja! Menschlich auch?  
 
Herzliche Grüße aus der Stadt des ewigen Frühlings, Euer Kurt Udermann.


Medellin, am 29. Mai 2022
 
Als ich heute früh in Richtung Envigado ging war ich überrascht als ich die Scharen von Menschen sah, die sich anschickten ihre Wahlpflicht zu erfüllen. In gewisser Hinsicht ein gutes Zeichen für ein gutes Verständnis von Bürgerpflicht. Wer wird die Wahl gewinnen? Müsste ich wählen, ich täte mich schwer zu entscheiden. Wir Europäer neigen dazu den „linken“ Kandidaten zu bevorzugen. Nur ist es so, dass die Linken die Sozialdemokratie nicht kennen, sondern nur die extreme Richtung des Kommunismus, die keiner will. Und die Menschen, die den langen Bürgerkrieg in Erinnerung haben, haben Angst vor einem angekündigten Wandel der Politik. Hoffentlich wird das Wahlergebnis respektiert und jeder gewaltsamen Lösung der Boden entzogen.
 
In meiner Zeit hier in Medellin hat mich auch Ernesto Cardenal begleitet und zwar der erste Teil seiner Biographie: „Verlorenes Leben“ mit dem Untertitel: „Denn wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es erhalten. (Lk 9,24)“ In diesem Buch lernte ich über die Geschichte Mittelamerikas, erfuhr einiges über Thomas Merton, dem Novizenmeister von Ernesto, dem späteren sandinistischen Kulturminister Nicaraguas. Mein Interesse weckten die Schilderungen seiner Zeit im Trappisten-Kloster von Gethsemani in Kentucky. Ich rief einen alten Bekannten an, der als Gast an diesem Ort drei Monate verbrachte und am harten Leben der Mönche teilnahm und bat ihn mir seine Erfahrungen zu schildern.
 
Mit drei Zitaten aus dem Buch möchte ich Euch Gelegenheit zur Erinnerung und zum Schmunzeln geben. Von einem Haus, in dem er mit seinen Eltern gelebt hat schreibt Ernesto Cardenal: „In jüngster Zeit war es ein Theater gewesen, und dann hatte es mein Onkel Julio restauriert und modernisiert, wenn man den Genueser Stil oder was immer es auch war so nennen kann. Heute ist es eine internationale Kulturstiftung, die der österreichische Schauspieler Dietmar Schönherr mit meiner Unterstützung in der sandinistischen Revolution dort gründete.“ (320)
 
Er erzählt auch wie er zum Rosenkranzgebet kam: „Oft genug stand ich kurz davor, den endgültigen Entschluss zu fassen: der Eintritt in das religiöse Leben, aber immer fehlte mir doch der Mut. Der völlige Verzicht auf alles, er gelang mir nicht. Da wusste ich kein anderes Gebet als den Rosenkranz. Ich betete Tag und Nacht Rosenkränze. Und zwar mit großem Genuss. Unter den religiösen Büchern, die ich in jenen Tagen las, war auch eine Biographie von Ernest Psichari, und es gefiel mir sehr, was er nach seiner Bekehrung und kurz vor seinem Tod im Krieg gesagt hatte, nämlich dass er sein Leben lang nichts anderes tun wollte, als durch die Welt zu gehen und Rosenkränze zu beten.“ (46) 

Eine sehr extravagante Form den Rosenkranz zu beten wählte einer seiner Vorfahren: „In Diria gab es einen Cabistan, Serapio, den meine Mutter noch kennen lernte, der betete den ganzen Tag den Rosenkranz und trank Schnaps dabei. Nach jedem Mysterium des Rosenkranzes nahm er einen Schluck aus der Literflasche Zuckerrohrschnaps, die er neben seinem Stuhl stehen hatte, in seiner ärmlichen Hütte mit dem lehmgestampften Boden.“ (383)

 
Ich ging heute ins Hotel York zum Frühstück. Helga und Anna, Mutter und Tochter aus Neustift im Stubaital, waren von Freitag bis heute in Medellin und sind heute nach Cartagena weiter gereist. Nach der Beschaffung einer Handy-Sim-Karte für Anna und dem Frühstück im Santa-Fe-Supermarkt spazierten wir zum Poblado-Park, um für Samstag die Tages-Tour nach Guatape zu buchen. Danach besuchten wir das „Museo Casa de la Memoria (Haus der Erinnerung)“, wo eine große Dauerausstellung an die Drogen- und Bürgerkriege in Kolumbien seit 1948 erinnert. Faszinierend ist die digitale Aufbereitung des minutiös gesammelten Materials.
 
Gestern dann der Tagesausflug nach Guatape und Penol mit Frühstück, Mittagessen, Schifffahrt und Besteigung des Basaltfelsens inmitten der Stauseen-Landschaft. Den Abschluss bildete der Besuch in der „Sockelstadt“ Guatape nach dem der einsame Fels benannt ist. Die Taxi-Fahrt nach Hause wird Helga und Anna in Erinnerung bleiben.
 
Es wird übrigens eine Stichwahl zwischen dem „linken“ Kandidaten Gustavo Pedro und Rodolfo Hernadez. 
Morgen, am Montag, wird hier übrigens "Christi Himmelfahrt" gefeiert.

 
Liebe Grüße aus Medellin, Euer Kurt Udermann


Medellin, am Sonntag, 22. Mai 2022
 
In der Caracol-Serie „Simon Bolivar” kommt auch die Situation der afrikanischen Sklaven in Venezuela bzw. Südamerika vor die Kamara. Die Szenen sind erschütternd. Die Wirklichkeit war vermutlich noch grausamer. Mich hat es bewogen mich ein wenig in die Sklaverei und die Sklavenbefreiung Südamerikas einzulesen. Hier kein kurzer Auszug davon: 

Im Zuge der spanischen Eroberung Südamerikas waren die Gold und Silberminen in einigen Ländern ein Objekt der Begierde. Um diese Schätze abzubauen bedienten sie sich der indigenen Bevölkerung, die schamlos bis aufs Blut ausgebeutet wurde. Dies führte neben eingeschleppten Krankheiten rasch zu einer Dezimierung der einheimischen Bevölkerung und die Sorge um Arbeitskräfte wuchs.

Dem Dominikanerpater Bartholomé de Las Casas wurde vorgeworfen für den Sklavenhandel schwarzer Menschen verantwortlich zu sein. Anlass gab ein Bericht, in dem er beschreibt, wie ihm einige Siedler auf Hispaniola das Angebot machten, ihre Indiosklaven freizulassen, wenn sie im Gegenzug Lizenzen für den Erwerb von afrikanischen Sklaven erhielten. Las Casas hatte dem zugestimmt. Er hielt lange Zeit den Einsatz von afrikanischen Sklaven für rechtmäßig und hatte als Bischof von Chiapas selbst welche in seinem Gefolge. Später hat er sich klar davon distanziert und gegen die unmenschliche Behandlung auch der Sklaven aus Afrika gewandt: „Er [Las Casas über sich selbst] war sich des Unrechts nicht bewusst, mit dem die Portugiesen sie einfingen und zu Sklaven machten. Nachdem er dies erkannte, hätte er den Rat um alles in der Welt nicht mehr gegeben, denn es war immer Unrecht, wenn man sie fing, und Tyrannei, wenn man sie zu Sklaven machte; die Neger haben die gleichen Rechte wie die Indios.“ Von Las Casas ist der wahrscheinlich älteste Text überliefert, in dem der Handel mit afrikanischen Sklaven als Sünde und Verbrechen bezeichnet wird. Bedeutung erlangte Las Casas vor allem als einer der frühesten Verteidiger der Rechte der Indios. Seine Werke enthalten einige der frühesten Anklagen gegen den Völkermord an den amerikanischen Ureinwohnern durch die Konquistadoren. Er trat dabei sowohl als Augenzeuge als auch als Verteidiger der Indios am Hofe in Madrid und in der katholischen Kirche auf.

So erlaubte die spanische Regierung schon ab 1501 den Portugiesen den Handel mit schwarzen Sklaven. Später gesellten sich auch die Engländer und Franzosen zu ihnen. Waren es gegen Ende des 16. Jahrhunderts ca. 65.000 schwarze Sklaven, die in Spanisch-Amerika lebten, wird um 1640 bereits von ca. 250.0000 Menschen ausgegangen (Edelmayer). Insgesamt wurden schätzungsweise zwischen 9,5 und 11 Millionen Afrikaner nach Amerika verschleppt. (Bley/König) Dabei ist ungewiss, wie viele Menschen, die die Reise über den Atlantik von Afrika aus antraten unterwegs aufgrund von Krankheiten, Durst, Hunger, psychischen Strapazen verstarben. Die verkauften Menschen wurden in Ketten gelegt und geschlagen, unhygienische Zustände begleiteten die wochenlange Überfahrt.

Die Lebensbedingungen der Sklaven waren regional und zeitlich unterschiedlich. Oft waren sie von Gewalt geprägt: Misshandlungen und Bestrafungen waren neben der körperlichen Ausbeutung und den zumeist unmenschlichen Lebensbedingungen üblich und aufgrund der Rechtlosigkeit der afrikanischen Sklaven straflos. Teilweise erreichten Sklaven aber durch die Gunst ihrer Herren die Freiheit bzw. konnten sich durch die Erlaubnis einen Beruf zu erlernen und diesen auszuüben, freikaufen. Während Sklaven in der Idealvorstellung der Kolonialgesellschaft die unterste soziale Schicht stellten, war freien `Schwarzen´ ein sozialer und ökonomischer Aufstieg möglich. So gab es schon um 1800 in Lateinamerika mehr freie „Schwarze“ und „Farbige“ als Sklaven und Sklavinnen, da diese dort öfter in die Freiheit entlassen wurden als in Nordamerika.

Über lange Zeit wurde die Sklaverei von katholischen und protestantischen Missionaren toleriert und die gesellschaftlichen Hierarchien gegenüber den Sklaven verteidigt. Die Geistlichen argumentierten, dass ein Leben als Sklave in der christlichen Welt dem Leben als `Heide´ in Afrika vorzuziehen sei und stützten somit die gesellschaftlichen Strukturen. Von anderen Priestern, darunter Jesuiten wie Alonso de Sandoval, der als Sklavenseelsorger in Cartagena (Kolumbien), dem Zentrum des portugiesischen Sklavenhandels im 17. Jahrhundert, wirkte, wurde der Sklavenhandel bereits frühzeitig abgelehnt und der Jesuit Peter Claver setzte sich ebenfalls in Cartagena für die afrikanischen Sklaven ein.

Nach und nach konnten ab 1819 von Norden her alle Gebiete Südamerikas befreit werden und eine neue republikanische Ordnung griff um sich. Der in ihr enthaltende Freiheitsdiskurs war nicht mit der Sklaverei vereinbar. Das haben die Führer der Freiheitsbewegung rasch erkannt: „Es erscheint mir als Wahnsinn, wenn eine Freiheitsrevolution die Sklaverei aufrecht zu erhalten versucht.“ sagte Simón Bolívar, der zusammen mit José de San Martín, nach der erfolgreichen Befreiung der Gebiete schrittweise Emanzipationsprogramme durchsetzte.

Es gibt noch eine andere Besonderheit der Sklaverei in Lateinamerika. Sie führte dazu, dass die reale Sklavenbefreiung oftmals erst in den 50er und 60er Jahren des 19. Jahrhunderts durchgesetzt wurde: Die Sklavenbefreiung war eher eine Mitgift der Unabhängigkeitsbewegung und nicht ihr primärer Grund. Dies lag unter anderem daran, dass es in Lateinamerika keine vergleichbare Anti-Sklaverei-Bewegung (wie in Großbritannien, Frankreich oder den USA) gab und somit auch kaum eine kritische Öffentlichkeit vorhanden war. Als letztes Land schaffte 1888 Brasilien offiziell die Sklaverei „endgültig“ ab, was bei weitem nicht als Verbesserung der Situation der nun ehemaligen Sklaven und Sklavinnen gesehen werden konnte.

Was das Wahlkampf-Karussell in Kolumbien betrifft geht die Suspendierung von Bürgermeistern fröhlich weiter. Drei weitere gewählte Gemeindevorsteher größerer Städte wurden von nicht gewählten Beamten suspendiert. Die Angst der herrschenden Klasse die Wahl zu verlieren ist groß.


Herzliche Grüße aus Medellin, Euer Kurt Udermann

 
Medellin, am 15. Mai 2022
 
Ich muss „mit der Kirche ums Kreuz fliegen“. Meine Flugroute führt von Medellin nach Panama und von Panama nach Asuncion. Der Rückflug geht dann wieder über Panama zurück nach Medellin und von Medellin nach Bogota über Paris nach Wien. Die Rückreise wird drei lange Tage dauern, die ich im Flugzeug und auf Flughäfen verbringen werde. Aber noch schreckt mich das nicht. Ich möchte mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen die Jesuiten-Reduktionen und die Reste, die an sie erinnern zu besuchen, natürlich auch noch andere Sehenswürdigkeiten des Landes. Ich habe das Glück mit einem Schweizer Missionar in Kontakt gekommen zu sein, der hat mich eingeladen und mich auch begleiten wird.
 
Am 29. Mai finden in Kolumbien Präsidentschafts-Wahlen statt. Dieser Urnengang wirft seine Schatten voraus. Dem als linksstehenden Kandidaten Gustavo Petro werden durch Umfragen ein klarer Wahlsieg vorausgesagt (hoffentlich erlebt er ihn!). Sein ernstzunehmender Konkurrent bei der Wahl ist der rechte Kandidat und ehemalige Bürgermeister von Medellin, Federico Gutierrez. Der amtierende Bürgermeister von Medellin Daniel Quintero wurde am vergangenen Freitag vom Präsidenten Ivan Duque bzw. Staatsanwältin Cabello vorübergehend suspendiert. Seine Straftat: Er hat sich „verbotenerweise“ im Wahlkampf für Gustavo Petro engagiert. Konkret: Daniel Quintero, gewählter Bürgermeister der Bewegung Independientes, postete ein Video mit dem Text: „Wer folgt mir? #ElCambioEnPrimera“ (Der Wandel hat Priorität). Der Hashtag wird als Anspielung auf die Kampagne des linken Kandidaten Gustavo Petro gewertet.


So ereignete sich etwas, das wohl nicht ganz zufällig schon dem Präsidentschaftskandidaten Gustavo Petro widerfuhr. Auch er wurde als gewählter Bürgermeister der Hauptstadt Bogota vom Staatsanwalt suspendiert. Gustavo Petro erzählt im Rückblick: „Ich wurde von einem faschistischen Staatsanwalt, Herrn Ordóñez, meines Amtes enthoben. Da es meiner Meinung nach einem Bruch mit der Amerikanische Menschenrechtskonvention gleichkam, wenn ein Staatsanwalt die Volksabstimmung umgeht, und die Konvention aber Teil unserer Verfassung ist, habe ich national und international einen Rechtsstreit begonnen“, erinnert sich Petro im Senat. Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (IACHR) habe Kolumbien im Jahr 2020 wegen der Verletzung seiner politischen Rechte verurteilt und den Staat angewiesen, seine Gesetze über Sanktionen gegen gewählte Volksvertreter*innen anzupassen: „Wenn ein Mitglied der Exekutive oder ein Beamter aus der Verwaltung das Recht, zu wählen und gewählt zu werden, verletzt, ist das nicht mehr Demokratie, sondern Diktatur. Das hat auch das Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte bestätigt und die Amerikanische Menschenrechtskonvention in Kolumbien wieder in Kraft gesetzt.“


Das Land, das sich rühmt die älteste Demokratie Südamerikas zu sein, hat Angst vor der Wahl Petros. Und die Angst ist auch irgendwie verständlich, da man in Lateinamerika nur das kapitalistische System der USA und das kommunistische System Venezuelas und Kubas oder der Militärdiktaturen vor Augen hat. Eine Erfahrung mit einer sozialdemokratischen Tradition gibt es nicht.


Es ist zu hoffen, dass sich die Vernunft in Gewaltlosigkeit und Respekt vor dem politischen Mitbewerber durchsetzt und die Gewaltexzesse der Vergangenheit angehören.
 
Herzliche Grüße aus Medellin, Euer Kurt Udermann


Medellin, am 8. Mai 2022
 
Der vergangene Mittwoch-Nachmittag war schwarz-grau. Schwarz, weil einiges schief ging und grau, weil schließlich, doch alles gut ausging. Ich bin an diesem Nachmittag früher nach Hause gegangen, um im Supermarkt Santa fe ein Flugticket nach Asuncion (Hauptstadt von Paraguay) zu besorgen. Am Supermarkt-Schalter wurde mir mitgeteilt, dass ich hier mit meiner Debit- oder Kredit-Karte nicht bezahlen könne. Ich solle zum Einkaufszentrum Oviedo gehen, dort gibt es ein Büro der kolumbianischen Fluggesellschaft Avianca, wo ich mit meinen Karten bezahlen könne. Ich kannte das Büro und machte mich guter Dinge auf den Weg. In zehn Minuten war ich dort. Doch leider, ein Systemausfall hatte den Betrieb lahmgelegt, das heißt, das Internet war ausgefallen. Ich bekam dennoch eine vielversprechende Auskunft und hatte vor, am Samstag wiederzukommen. Als ich beinahe zu Hause war merkte ich, dass meine Schlüssel nicht wie üblich in der Hosentasche greifbar waren. Also setzte ich mich auf eine Bank und durchsuchte meine Taschen. Doch sie waren einfach nicht da, die Schlüssel. Wo konnten sie sein? Oh Schreck! Habe ich sie an der Tür stecken lassen?
 
Also erster Weg zur Wohnungstür. Der Schlüssel steckte leider oder Gott sei Dank nicht. Nächster Weg zum Supermarkt Santa fe. Die Kundenberaterin war von zwei anderen abgelöst worden. Sie hat den Schlüsselbund jedenfalls nicht hinterlegt. Am Telefon teilte sie mit, dass ich bei ihr den Schlüssel nicht hatte liegen lassen. Also blieb nur noch der Weg zur Avianca im Einkaufszentrum Oviedo. Schon beim Eintreten bedeuteten mir die Damen am Schalter, dass das System noch immer nicht funktioniere. Sie waren überrascht, das ich zielstrebig zum Schalter ging, an dem ich beraten wurde. Und da lag – Gott sei Dank – der kostbare, heißersehnte Schlüsselbund.  Mir fiel ein Stein vom Herzen. Die Frauen hatten ihn noch gar nicht bemerkt. Müde und ohne Flugticket, aber um die Erfahrung reicher, mit dem Schlüssel vorsichtiger umzugehen, kam ich nach Hause.
 
Gestern, am Samstag, war ich wieder im Büro der Fluglinie Avianca. Alles ist komplizierter als ich mir dachte, sodass ich wohl alles über das Grazer Reisebüro, wo ich ursprünglich meine Flüge gebucht habe, organisieren werde müssen. Jedenfalls möchte ich nicht mit der Kirche ums Kreuz fliegen.
 
Zwei große Ereignisse in Medellin möchte ich abschließend noch erwähnen: die Fiesta de la luz (das Lichterfest) und die Feria de las flores (die Blumenmesse). Beide Ereignisse sind einzigartig, oft nachgeahmt, aber nie erreicht.
 
Das Lichterfest beginnt am 7. Dezember und erleuchtet die Stadt bis zum Februar. Seit knapp mehr als 45 Jahre findet es statt. Von der Darstellung der Weihnachtskrippe mit der Ankunft der Weisen aus dem Osten bis hin zu vielfältigsten, kreativen Spielarten der Licht- und Beleuchtungskunst laden zum Staunen ein. Es ist eine Einladung an die Bewohner nach den Jahren der Finsternis durch die Faszination des Lichtes Hoffnung zu schöpfen und sich mit der ganzen Familie daran zu erfreuen. Die Stadt lässt sich dieses Fest viel kosten.
 
Das Blumenfestival findet im August statt. Es ist garniert mit anderen kulturellen Veranstaltungen wie Konzerten, Straßenfesten in allen Stadtteilen etc. Zum krönenden Abschluss am Sonntag findet eine dreistündige Parade statt. Hauptattraktionen dabei sind die sogenannten Chiva-Busse (jeder einzelne wird zu einem Blumenstrauß verwandelt) und der Vorbeimarsch der Silleteritos. Silla ist der Sessel. Dieser diente den Blumenträgern als Ladefläche auf dem Rücken. Sie trugen die Blumen von den Bergeshöhen hinunter zu den Märkten der Stadt, um sie zu verkaufen. Natürlich zieht auch der Reiterzug mit den ca.1000 Pferden die Aufmerksamkeit nach sich. Also: Herfliegen und anschauen!
 
Herzliche Grüße aus dem regnerischen Medellin, euer Kurt Udermann


Medellin, Sonntag 1. Mai 2022
 
Es war eine freudige Überraschung als ich bei Netflix die Ankündigung einer neuen Serie sah: Simon Bolivar. Als ich bei meinem ersten Kolumbien-Aufenthalt in Bogota war, berichtete ich von Fernseh-Aufnahmen in jener Villa, in der Bolivar, der Befreier Südamerikas lebte, wenn er in Bogota war, was selten genug der Fall war, da er meistens auf Kriegszug gegen die Spanier unterwegs war. Dabei hat es sich offenbar um Dreharbeiten für diesen Film gehandelt. Ich sah bereits einige Folgen dieser Filmbiografie des Mannes, an den in jeder Stadt Kolumbiens mindestens ein Denkmal erinnert. Auf dem beschwerlichen Weg über gebirgiges Gelände – ähnlich strapaziös wie die Alpenüberquerung Hannibals – nachdem er gerade wieder einmal seine frierenden Soldaten zum Weitergehen motivieren konnte, erzählt er einem Kameraden seine Kindheits- und Jugendgeschichte. Bisher sah ich also seine Kindheits- und Jugenderinnerungen bis zur Hochzeit mit der Spanierin Marie Teresa del Toro Alayza, die er in Madrid gegen den anfänglichen Widerstand ihres Vaters geheiratet hatte. Nach einem acht Monaten in Venezuela starb sie allerdings an Gelbfieber im 21. Lebensjahr, was ihm das Herz brach und gelobte, nie wieder zu heiraten. Diesem Schwur hielt er die Treue. Er brach wieder nach Europa auf.
 
Am Donnerstag konfrontierte mich eine Oma mit der Frage ihres sechsjährigen Enkelkindes: „Hat Gott auch eine Seele?“ Das wissen wir nicht, lautete meine Antwort. Gott ist jedenfalls kein Mensch mit Leib und Seele. Selbst diese Trennung ist nicht biblisch, sondern ein Konzept der griechischen Philosophie. Gemäß dem biblischen Menschenbild ist der Mensch entweder ganz Fleisch oder ganz Geist. Ob die Frau verstanden hat, was ich ihr zu sagen versuchte, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass aus Kindesmund Fragen kommen, die man nicht erwartet und oft nicht beantworten kann.
 
Kinder waren auch Thema einer Nachrichten-Sendung des ORF in der vergangenen Woche. Oberösterreich und die Steiermark wurden genannt (bzw. gerügt), weil sie bei der Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen und der Regelung der Kindergarten-Öffnungszeiten mit den Vorstellungen der Wirtschafts- und Arbeiterkammer, der Gewerkschaft u.a. nicht konform gehen. Eine interviewte Frau (Expertin), die diesen Missstand wortgewandt beklagte, konnte mich nicht überzeugen, dass hier das Wohl der Kinder im Zentrum steht, sondern vielmehr ideologische und wirtschaftliche Interessen. Die Wirtschaft braucht Arbeitskräfte und Konsumenten, linke Ideologen streben nach dem Alleinerziehungsmonopol des Staates. Die Kinder haben ein Recht auf die Familie und auf die Erziehung durch die eigenen Eltern. Dieses Kinderrecht wird untergraben. Kinder- und Jugendverwahrlosung sind das Resultat.
 
Unangefochtenes Alleinstellungsmerkmal hinsichtlich des jährlich im Juni stattfindenden Poesie-Festivals darf Medellin in Anspruch nehmen. Es hat in der Zeit großer Gewalt und Angst klein begonnen. Die Initiatoren wollten bewusst einen Gegenpol schaffen. Das gelang ihnen mit großem Erfolg. In Medellin findet das größte Poesie-Festival der Welt statt. Achtspurige Autobahnen werden gesperrt, um Platz zu schaffen für Lesungen, die auch an vielen anderen Orten und mehrheitlich unter freiem Himmel stattfinden. Applaus wie bei großen Pop-Konzerten brandet auf, um Dank und Freude den Dichtern gegenüber auszudrücken. Wer in diesen Tagen das Schildchen „Poet“ angeheftet hat, wird überall warmherzig empfangen, geschätzt und in Gespräche verwickelt.
 
Fernando Rendon, der Initiator des Festivals betont: „Poesie ist Ventil und Katalysator, sie ist eine universelle Sprache. Liebe, Freiheit, der Traum von einem besseren Leben – das versteht ein Iraker oder ein Amazonas-Indianer aus Brasilien ebenso wie ein Kolumbianer.“ Der Dichter Hans Magnus Enzensberger hat so über das „Wunder von Medellin“ geschrieben: „Vielleicht muss man bis ans andere Ende der Welt reisen, um der Abgebrühtheit unseres Kulturbetriebes zu entrinnen, um sich zu überzeugen, dass ein paar Verse heute noch, wie zu homerischer Zeit, eine ganze Stadt begeistern können.“
 
Liebe Grüße aus Medellin, Euer Kurt Udermann


Medellin, am 24. April 2022

Manchmal gehe ich von der Stiftung im Stadtteil Nikitau zu Fuß nach Poblado, wo ich zu Hause bin. Die Armut in Nikitau ist unübersehbar. Ab dem Gebiet um das Einkaufszentrum San Diego ändert sich das Stadtbild. Im krassen Gegensatz zum Ort der Stiftung ist Poblado, reich und sicher. Dennoch gibt es auch da etwas, was mich immer wieder erschüttert: Es sind die jungen Frauen der Ureinwohner (wir sagen Indios, aber sie betonen, war sind nicht in Indien), die mit ihren Babys und Säuglingen alle 50 oder 60 Meter abgestellt werden und betteln. Es ist ein trauriger und demütigender Anblick. Wo sind die Männer? Wenn Sie einer Arbeit nachgehen ist es nicht nötig, dass sie das den Frauen zumuten müssen. Mein kolumbianischer "Chauffier" sagte mir, dass die Regierung die Ureinwohnern mit viel Geld unterstützt, dass aber die Dorfhäuptlinge den Leuten das Geld teilweise wieder abnehmen. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber wenn sich selbst unter den Ärmsten noch Ausbeuter finden, ist das sehr traurig.

Weiter zu Medellin: Während Bogotá lang Zeit als hässliche Stadt verschrien war und erst allmählich zum begehrenswerten "Athen Südamerikas" heranreifte, war Medellin immer schon die "Schöne" mit ihrem mediterranen Klima und den attraktiven Avenidas ohne Schlaglöcher. Eine vorübergehende Verkehrsberuhigung brachte der Bau der ersten und einzigen Metro Südamerikas. Allerdings auch mit bitterem Beigeschmack. Die geplanten Kosten wurden weit überschritten, sodass die "Metro Medellin" zu einem Synonym für die teuerste Metro der Welt geworden ist. In Staunen versetzt die Sauberkeit in den Stationen und Garnituren. Es heißt, dass Studenten beauftragt wurden hinsichtlich der Reinhaltung der U-Bahn meinungsbildend auf die Bevölkerung einzuwirken. Jetzt wirbt man mit dem Slogan "Das Haus so sauber wie die U-Bahn". Heute ist die Metro der ganze Stolz der Paisas.

Auf einem weiteren wichtigen Gebiet hat Bürgermeister Fajardo die Politik umgedreht: die Bildungspolitik. Da der Staat und somit auch die Städte viele Bereiche privatisierten und damit kaum mehr Schulen gebaut wurden kam es zu einem prekären Bildungsdefizit. Während die Reichen ihre Kinder in die zahlreichen (katholischen) Privatschulen schickten, wurden die Armen geistig ausgehungert. Bürgermeister Fajardo startete die Initiative: "Medellin - am besten gebildet". 40% Prozent des Stadtbudgets wird in die Bildung investiert. Das ist einmalig in Südamerika. Es war aber auch dringend notwendig.

"Wir gingen sehr sparsam mit öffentlichen Mitteln um, schafften die Privilegien der Verwaltung ab und verstopften die Kanäle der Korruption." So Altbürgermeister Fajardo. Weil sie Erfolge sahen, waren die Menschen wieder bereit Steuern zu zahlen. Vor allem die neu gewonnene Sicherheit trug dazu erheblich bei: 1994 gab es 7500 Morde in der Stadt, 2006 gab es nur mehr 750 und 2009 sank die Zahl unter 180. Ende desselben Jahres nahm die Zahl der Morde wieder geringfügig zu. Trotzdem ist Medellin ein Beispiel dafür, dass unmöglich Scheinendes möglich werden kann und wie man der Gewalt in den Großstädten Südamerikas Herr werden kann. 2008 hat Bürgermeister Fajardo an einen Mitstreiter aus der unabhängigen Bürgerbewegung das Amt des Bürgermeisters übergeben: Alonso Salazar.

Medellin hat viel mehr zu bieten als Pablo Escobar. Es ist (auch) eine schöne und liebenswerte Stadt, die an das Alpenvorland erinnert. Das Fest des Lichtes (La fiesta de la Luz) ist ein einzigartiges Lichterfest an Weihnachten. Die einwöchige Blumenparade (Feria de las Flores) findet im August statt. Weltweite Anerkennung genießt das Poesie-Festival im Juni. Nicht vergessen werden darf das Nachtleben im Stadtteil Poblado.

Herzliche Grüße, Kurt Udermann

Medellin, am Ostermontag, 18. April 2022

Die Osterfeiertage sind nun auch wieder Geschichte. Gründonnerstag und Karfreitag habe ich in der Kirche St. Josef in Poblado mitgefeiert. Die Kirche war jeweils gerammelt voll. Mir scheint, die Menschen hier sind mit dem Glauben doch inniger verbunden als wir in Europa. Das drückt sich in großer Ehrfurcht und auch Ernsthaftigkeit im Gottesdienst aus. Die äußeren Abläufe in der Liturgie sind ja überall gleich, die Gestaltungsmöglichkeiten eher gering. Das weckt zwar Vertrautheit für einen Ausländer, aber verhindert örtlich inspirierte Ausdrucksformen. Die musikalische Gestaltung zu Hause ist freilich unerreicht. Das Volk singt hier kaum mit. Es gibt keine Liederbücher. Die Osternacht feierte ich zu Hause. Der Heimweg zu später Stunde war mir doch zu riskant.

 Aber nun wieder zu Medellin:

Das Metrocable, die Metro und die Biblioteca España sind Wahrzeichen einer Veränderung, die in Medellin mit dem Amtsantritt eines neuen, jungen Bürgermeisters begonnen hat. Erstaunlich ist, der neue Bürgermeister war Professor, also kein Berufspolitiker. Er hat die Verkehrspolitik genutzt, um gesellschaftspolitische Weichenstellungen vorzunehmen. Die Communa 13 ist ein Barrio in dem 140000 arme Menschen auf engstem Raum, in ineinander verschachtelten Häusern, zusammenleben.

Das zuvor hochexplosive Elendsviertel, das von Gewalt geprägt war, wurde durch das Metrocable und die Metro in die zivile Gemeinschaft zurückgeholt. Die Seilbahnkabinen fassen acht Personen und bringen sie zur Metro. Ein Einkauf in der Stadt oder ein Behördenweg lassen sich jetzt in viel kürzerer Zeit absolvieren. Ein erschwinglicher Fahrpreis gilt für das ganze Streckennetz. Wer mit der Gondel zur Bergstation hochfährt, der sieht drei schwarze Blöcke zur Linken. Es ist die Biblioteca España. Sie beherbergt nicht nur eine Bibliothek, sondern Konferenzräume, Sportsäle, Musikräume, Studiersäle etc. Auch dies gehört zum Regierungsprogramm des neuen Bürgermeisters. "Bibliotheken-Park" nennt sich das Projekt, das Bürgermeister Fajardo, der ehemalige Mathematik-Profesor, seit 2004 verwirklicht hat.

Alcalde Sergio Fajardo Valderrama überzeugte die Bürgergesellschaft und Verwaltung von der Notwendigkeit, die arme Bevölkerung aktiv in die soziale und wirtschaftliche Entwicklung einzubeziehen. In seiner Politik der Integration hat er gezeigt, dass die Bekämpfung der Armut mehr ist als Geldumverteilung, sondern auch die aktive Beteiligung aller Menschen am Gemeinwesen erfordert. Seine ersten Ziele waren die Wiederherstellung der Sicherheit und er "stellte das Schönste, das die Stadt zu bieten hat" in die ärmsten Viertel, wo Zerstörung und Verzweiflung am größten waren. Das "Schönste", das sind die Bibliotheken-Parks. Alle fünf basieren auf der Dreiteilung: Lesesaal-Erholungsbereich-Hörsaal. Filmvorführungen, Lesungen, Konzerte, Computerkurse etc. werden angeboten. Auch die Bürgerversammlungen finden dort statt.

Liebe Grüße aus Medellin, Euer Kurt Udermann


Medellin, am 11. April 2022


Gestern am Palmsonntag nahm ich wie gewohnt um die Mittagszeit an der Liturgiefeier im Einkaufszentrum Santa Fe teil. Die gute Lausprecherqualität, die bemüht, gute Aussprache der Lektoren und die Predigten des Priesters ziehen mich immer wieder zum Sonntagsgottesdienst an diesen Ort. Schöne Palmzweige mit einem angehängten Grußwort wurden ausgeteilt und bei einem modernen Loblied geschwenkt. Trotz der langen Passionsgeschichte fiel es auch nicht schwer der guten Predigt zu folgen. Es war eine erhebende Feier. Herz, Hirn und Gemüt bekamen Nahrung.
Am späten Nachmittag ging ich nochmals ins Einkaufszentrum einkaufen. Ich wundere mich immer über die vielen Leute gerade am Sonntag. Wie die Sissy-Filme die Menschen früherer Generationen das Leben ein wenig versüßt und erträglicher gemacht haben, so wohl auch das Flanieren durch das Einkaufszentrum. Allerdings frage ich mich auch, was fühlen und denken die Menschen bei all diesen unwichtigen, massenhaften Produkten, die alle nicht wirklich gebraucht werden?

Jetzt aber zu den versprochenen Informationen über die faszinierende und verstörende Stadt Medellin. Der Bildhauer Fernando Botero ist in Medellin präsent wie kein anderer Künstler. Die üppigen, runden Frauenfiguren stehen für seinen Namen. Sie sind sein Markenzeichen. 23 dieser dicken Frauenstatuen schmücken die Plaza, die seinen Namen trägt. Von einer der zahlreichen Bänke vor dem Museo Antioquia lassen sie sich willig bestaunen.
 
Die Einwohner des Bundesstaates Antioquia und seiner Hauptstadt Medellin nennen sich Paisas. Ihnen wird nachgesagt, dass sie "anders" sind, das gilt auch für andere Gebiete Kolumbiens mit ihren Zentren z. B. die Caleños (Cali), den "Pastusos" (Pasto), den "Costeños" (Karibik-Küste). Die Vorfahren der Paisas waren baskische Juden, die vor der Inquisition fliehen mussten und sich hier ansiedelten. Sie sind im ganzen Land berühmt für ihre Innovation und Geschäftstüchtigkeit.
 
Heute zählt Medellin an die 3,5 Millionen Einwohner und ist damit die zweitgrößte Stadt in Kolumbien. Gegründet wurde sie 1616 von Francisco Herrera Campuzano. Die Metropole liegt im Aburra-Tal, wird von Bergen umgeben und vom Rio Medellin durchzogen. Jahrhundertelang lebten die Menschen als Bauern, Bergleute und Händler. Später kam der Kaffeeanbau dazu, der von Großfamilien betrieben wurde. Inzwischen ist das Land um Medellin nicht nur Kaffeezentrum, sondern auch Industriezentrum. 
 
Medellin ist inzwischen eine blühende Stadt, steht in der Industrieproduktion an zweiter Stelle und in der Textilproduktion an erster Stelle in Südamerika. Ein wichtiger Einkommensbereich ist inzwischen auch die Züchtung von Orchideen und anderen Blumen, die nach den USA, Europa und Asien exportiert werden. Auch die öffentlichen Kultur- und Freizeiteinrichtungen können sich sehen lassen und sind die Voraussetzung für das reiche Kulturleben der Stadt.
 
In der 1980er Jahren war Medellin die unrühmliche Welthauptstadt des Drogenhandels mit den höchsten Mordraten. Pablo Escobar, einst siebenreichster Mann der Welt, hat Kolumbien einen schwer wieder gutzumachenden Schaden zugefügt. Mit seiner Erschießung im Jahre 1993 löste sich das Drogenkartell von Medellin auf und es entstand ein Vakuum. Es wurde gleich wieder aufgefüllt von Paramilitärs und Guerillas. Diesen neuen "Arbeitgebern" schlossen sich die jungen Mörder (Sicarios) an. Das Rad der Gewalt drehte sich weiter. Sollte sich in Medellin etwas zum Besseren verändern, dann müsste eine neue Stadtregierung nicht nur der Gewalt Herr werden, sondern auch die Herzen und Köpfe der deklassierten Bevölkerung in den Armenvierteln gewinnen. Es gelang! Wie? Fortsetzung folgt.
 
Herzliche Grüße aus Medellin, Kurt Udermann 


Sonntag, 3. April 2022, Medellin


Am Dienstag war ich mit Joss, dem Freiwilligen aus dem Baskenland, bei der Einwanderungsbehörde in Belen (Bethlehem). Ich musste meinen Touristen-Status verlängern. Bei der Ankunft am Flughafen in Bogota bekam ich einen Stempel in den Reisepass gedrückt mit dem Vermerk „90 Tage“. Meine 90 Tage laufen am 13. April ab. Wissend wie langsam die bürokratischen Mühlen in Kolumbien mahlen haben wir uns rechtzeitig auf den Weg der untertänigsten Bittsteller gemacht. Joss, der schon sechs Jahre hier ist, musste sich ebenfalls wegen einer notwendigen Verlängerung erkundigen. Wir fuhren von der Stiftung mit dem Taxi in den Stadtteil Belen. Natürlich steckten wir im Stau. Wie das wohl wäre in Medellin, ohne Metro und autofreiem Tag?

Der Taxler wusste wohin er uns zu bringen hatte und bereitete uns auf die Schlange-stehenden-Venezuela-Flüchtlinge vor, die halbjährlich ihren Aufenthalt verlängern müssen. Bei der Eingangstür stand ein Beamter, der uns, weil wir keine Flüchtlinge waren, einließ. Ansonsten gewährte er nur einer kleinen abgezählten Gruppe Einlass. Drinnen war es herrlich klimatisiert mit erstaunlich wenigen Menschen. Warum sollten die Mütter mit ihren Kleinkindern die angenehmen Räume genießen können, wenn es doch draußen so schön heiß ist? Und wie viele Beamte arbeiteten wirklich? Wir sahen viele, die beieinandersaßen und es lustig hatten. Schließlich wurden wir an einen Beamten verwiesen, der uns seine Nichtzuständigkeit erklärte und uns zum nächsten weiterschickte. Mit dem hatten wir großes Glück, er war nicht nur sehr höflich, sondern auch auskunftsfreudig und kompetent. Zuerst schaute er meinen Pass an und wollte eine Gebühr von € 25,- für die zu erwartende Arbeit kassieren. Ich machte ihn aufmerksam, dass EÜ-Bürger nichts bezahlen wie auch die Kolumbianer in Europa für eine Verlängerung nichts bezahlen. Er gab Joss die nötigen Informationen und mich hatte er inzwischen ins Kaffee nebenan geschickt, wo eine junge Frau meinen Antrag ausfüllte und mit einem Scanner Fotos von meinem Pass machte und dem Antrag beifügte und an den Beamten sandte. Natürlich hatte das seinen Preis. Gut für die junge Frau. Hoffentlich schneidet der Beamte nicht zu viel mit.

„Tango korrupti“? Oh nein! Mich erinnert das an eine Episode im Leben Ernestos Cardenal. Er hätte seiner Verhaftung durch zwei Soldaten entgehen können, wenn er ihre vorgeschlagene Bestechung akzeptiert hätte. Später schreibt er in seinen Erinnerungen: „So viele Jahre nach meiner Verhaftung gestehe ich heute ein, dass ich der eigentliche Schuldige daran war. Ich war genauso arrogant zu ihnen wie sie zu mir, ich zeigte keine gewaltfreie Haltung. Ich war hochmütig, indem ich den Soldaten jene zwölf Pesos verweigerte, die sie vielleicht am ganzen Tag nicht verdienten. Die kleine unmoralische Tat, sie zu bestechen, war nichts im Vergleich zur riesigen unmoralischen Tatsache, dass ich mehr Geld hatte als sie. Auch zu meinen, mir könne nichts passieren, weil ich Gott in mir hatte, war ein Irrtum gewesen, denn als sie mich verhafteten, trat Gott nicht für mich ein.“ (Ernesto Cardenal, Verlorenes Leben. „Denn wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es erhalten.“, Seite 92)

Als alles erledigt war, gratulierten wir uns zu dem äußerst erfolgreichen Vormittag. Gut gelaunt genehmigten wir uns einen Spieß mit Pommes mit einem kühlen kolumbianischen Bier. Aber erst Freitag abends als ich die offizielle Genehmigung des Verlängerungs-Antrages in Händen hatte war die Ungewissheit beendet. Bis 12. Juli, meinem Rückflug-Datum, darf ich offiziell gestattet in Kolumbien bleiben.

Ich würde Euch gerne etwas vom Regen hier überlassen… Liebe Grüße, Euer Kurt Udermann


Medellin, am Sonntag, 27. März 2022


Manchmal kommt es vor, dass der Mitarbeiter, mit dem ich zur Arbeit und wieder nach Hause fahren darf, irgendetwas zusätzliches zu tun hat und ich dann zu Fuß nach Hause gehen muss. Eine Stunde bin ich dann schnellen Schrittes auf Schusters Rappen unterwegs. Und da gibt es oft einiges zu erleben wie am vergangenen Freitag.

Der Heimweg war sehr ereignisreich. Vor allem auch die Deutung des Erlebten. Ich ging nun schon das zweite Mal durch das langgezogene Einkaufszentrum San Diego. Ich habe das Gefühl, die Zeit vergeht schneller durch die vielen Dinge und Menschen, die es da zu sehen gibt. Außerdem kann ich die schlechte Luft der intensiv befahrenen Avenida 43A vermeiden, die mich ohnehin lang genug auf dem Heimweg begleitet. Als ich die Geschäfte und Restaurants hinter mir hatte und die Zufahrt zur 43A betrat, kam mir ein etwa fünfzig jähriger Mann mit seiner Tochter entgegen. Er zeigte mir seinen blutverschmierten Unterarm und erzählte mir, dass er überfallen wurde und dass ihm seine Geldtasche gestohlen wurde. Er bräuchte Geld, um die Heimfahrt für sich und seine Tochter bezahlen zu können. Ich hatte mein letztes Bargeld in der Stiftung ausgegeben und bezahle ohnehin alles mit der Debitkarte. Die Tochter hatte offenbar geweint. Ich war geschockt. Öfters schon habe ich gehört, dass Diebe sich des Messers bedienen um Gürtel zu durchschneiden oder die Riemen von Damentaschen. Dabei konnte es schon passieren, dass der Schnitt zu tief geriet. War diesem Mann so etwas passiert? Er war allerdings weder Amerikaner noch Europäer. Trotz meines Schocks versuchte ich die Wunde ausfindig zu machen, ohne Erfolg, denn zu viel Blut wollte ich dann auch nicht sehen. Hätte ich Bargeld bei mir gehabt, hätte ich es ihm gegeben. Jedenfalls kein Ärger des Mannes, weil ich ihm kein Geld gab, sondern höfliche Verabschiedung.


Natürlich hat mich das Erlebte beim Weitergehen beschäftigt. Ich fragte mich, warum der Beraubte und Verletzte sich nicht an die Polizei wandte und sie auch um medizinische und finanzielle Hilfe bat. Ich kam natürlich zu keinem Ergebnis. Aber viel Zeit hatte ich nicht zum Grübeln. Die nächste Überraschung wartete schon auf mich. Und zwar in Form eines Herren- oder Frauenlosen Paketes bei der Autobushaltestelle. Sie war menschenleer, also wird der Bus gerade abgefahren sein. Das Paket war ca. 40x40 und unbeschriftet. Der oder die Besitzerin wird wahrscheinlich im Bus sitzen und irgendwann merken, dass er/sie das Paket nicht nebens sich, sondern auf der Bank vergessen hat. Wie groß wird die Enttäuschung sein. Sollte ich mich zum Paket setzten und warten, bis der/die Besitzerin kommt? Ich entschied eine Polizeistreife auf das Paket aufmerksam zu machen. Aber ausgerechnet an diesem Tag begegnete ich keiner.


Zwanzig Minuten später, als ich am Carlton-Hotel vorbei ging, kamen zwei hübsche, chic gekleidete junge Frauen auf mich zu. Eine von ihnen hatte eine teure Kamera bei sich. Zuerst dachte ich mir, dass ich sie fotografieren soll und fühlte mich geschmeichelt. Aber nein, sie wollten mich fotografieren, ich bräuchte nur im Voraus zu bezahlen und ihnen natürlich meine Adresse geben. Ganz schön geschäftstüchtig, die jungen Frauen heute, verabschiedete mich und ging nach Hause – ohne weitere Überraschung.


Dem Mitarbeiter der Stiftung mit dem ich normalerweise nach Hause fahre, erzählte ich meine Begegnungen. Sein Urteil war kurz und präzise: Der Mann mit der blutverschmierten Hand war ein Betrüger. Der Polizei ein Paket anvertrauen ist zwecklos. Die sind alle „ladrones“ (Diebe) und die zwei Frauen waren Prostituierte. Ich mag das nicht glauben!

Liebe Grüße aus dem verregneten Medellin, Kurt Udermann


Medellin, am 20. März 2022

Am vergangenen Sonntag fanden in Kolumbien "schicksalshafte" Wahlen statt. Es gab einen unerwarteten Wahlsieger, der ziemlich angefeindet wird, weil er nicht vom machtteilenden Establishment kommt. Mittlerweile werden Wahlbetrugs-Vorwürfe ausgetauscht. Heute will ich jemand zu Wort kommen lassen, der/die eine andere, nämlich einheimische Meinung vertritt:

"Mega erfolgreich!!

Traurig, ein Land, das sich von einem Präsidenten bedroht fühlt (Duque), der nie ein Paramilitär oder Guerilla war, dessen einziger Fehler darin besteht, die Unterstützung eines ehemaligen Präsidenten zu haben, den sie für zweifelhaft halten, aber es scheint ihnen das Normalste, dass Petro, ein Guerilla, der an Entführungen, Morden und Vergewaltigungen beteiligt war, Präsident werden kann, der zudem auch noch die Unterstützung eines mehr als zweifelhaften Präsidenten hat (Maduro), der in Venezuela ein Diktator 🇻🇪 ist und die Unterstützung der größten Gruppe von Drogenhändlern und Terroristen auf dem Planeten hat, die FARC.

Uribes Unterstützung für Duque ist für die Menschen schlimmer als die Unterstützung der FARC und Maduros für Petro... Duque scheint ihnen gefährlicher, der aus dem Demokratischen Zentrum kommt als Petro, der zur M-19 gehörte.

Richtige Worte von Luis Alberto Moreno (ehemaliger Präsident der Interamerikanischen Entwicklungsbank IDB): 'Ich bin sehr zufrieden mit den Ergebnissen von Duque, aber ich bin so traurig, wenn ich nur daran denke, dass fast 5 Millionen Kolumbianer einen ehemaligen Guerillakämpfer, Mörder und Komplizen, Förderer und Verteidiger der venezolanischen Katastrophe als ihren Präsidenten wollen.'

Das lässt mich ehrlich gesagt daran zweifeln, dass Kolumbien in naher Zukunft ein lebensfähiges Land sein wird. Dies impliziert eine immense Reflexion: Was haben wir falsch gemacht, wann haben wir unsere Prinzipien und Werte verloren. Es beunruhigt uns nicht einmal, nicht zu wissen, welche moralischen und christlichen Werte diese Menschen vertreten.

Ich fühle einen tiefen Schmerz und Sorge um die Heimat!

Liebe Freunde, 

ich teile mit Euch diese Reflexion, die sehr deutlich die Situation in Kolumbien zeigt. Die Nachrichten, die im Ausland zu hören sind, werden den Interessen derer angepasst, die Kolumbien stehlen wollen.

Ich bitte Sie, uns im Gebet zu begleiten, denn die Zukunft Kolumbiens ist in Gefahr. Gott stehe uns bei!"

Herzliche Grüße aus Medellin, Euer Kurt Udermann

Medellin, am 15. März 2022

Eigentlich wollte ich diesmal über Medellin, die Stadt Fernando Boteros, des ewigen Frühlings und der einzigartigen Metro schreiben. Über die Stadt Pablo Escobars, der Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen kaufte und umbringen ließ wen er wollte. Nach seiner Erschießung war die Stadt moralisch und wirtschaftlich am Boden. Zwei Bürgermeistern war es vor allem gelungen das Vertrauen der Menschen in den Staat zurückzugewinnen und ihnen Mut und Zuversicht für eine bessere Zukunft zu machen.

Leider bereiten mir die Wahlen vom vergangenen Sonntag Kopfzerbrechen. Über Medellin also das nächste Mal! Am Montag wurde ich mit der Feststellung konfrontiert, dass die Wahlen für Kolumbien „schlecht“ ausgegangen sind. Das „Links-Bündnis“ eines gewissen Gustavo Petro (pacto historico – historisches Bündnis) konnte seinen Stimmenanteil bei den Kongress-Wahlen um zwei Drittel vermehren und er hätte damit eine gute Basis das Land zu regieren, wenn er im Mai die Präsidenten-Wahl gewinnen sollte. Und „links“ ist genauso eine irreführende Festlegung wie „Kommunismus“.

Warum also „schlecht“ für Kolumbien? „Links“ ist doch gut! Oder nicht? Bei den Schlagzeilen der deutschsprachigen Gazetten habe ich immer wieder gelernt, dass Petro ein ehemaliger Guerrilla war. Was für eine Sensation, gut für eine reißerische Schlagzeile! Jetzt wird alles besser! Sie hätten auch seriös schreiben können, dass eben dieser Petro Bürgermeister der Bundeshauptstadt Bogota war, dass man ihn angeklagt hatte und dass er freigesprochen wurde.

Ich fragte meinen Gesprächspartner aus Venezuela, der kolumbianischer Staatsbürger ist, was er von der Wahl halte. Seine Antwort: „Das Ergebnis zeigt die wirtschaftliche Situation der Mehrheitsbevölkerung, die trotz eines jährlichen Wirtschaftswachstums, schwankend von 5-8% (vor der Pandemie), an und unter der Armutsgrenze lebt, die eine Änderung will. Durch die Pandemie wurde die ökonomische Lage noch schwieriger. Wen wundert es, dass sich die Menschen nach einer Änderung sehnen? Aber das Problem ist, dass es in Kolumbien üblich ist, Kandidaten, die nicht den traditionellen Eliten angehören und ihren Einfluss, ihre Macht und ihren Reichtum beschneiden könnten, zu beseitigen. Sie werden ihn umbringen. Und dann droht ein Bürgerkrieg.“

Und das hat es in der kolumbianischen Geschichte schon einmal gegeben. Daher wohl die große Angst. Der aussichtsreichste Kandidat der Liberalen Partei für die Präsidentenwahl 1950 Jorge Eliecer Gaitan wurde am 9. April 1948 beim Verlassen seiner Anwaltskanzlei ermordet, nachdem seine Anhänger bei den Kongresswahlen 1947 die Mehrheit in beiden Kammern erlangt hatten. Die Ermordung Gaitans war dann im Jahr 1948 der Anlass für den 20 Jahre dauernden Bürgerkrieg, La Violencia, der über 200.000 Tote forderte. Gaitan zufolge befand sich Kolumbien im Würgegriff oligarchischer Einzelinteressen. Bis heute hat sich nicht viel verändert.

Soweit die Gefahr. Ich weiß nicht wie groß die Gefahr des Kommunismus wirklich ist. Ich erinnere mich aber an meine Kindheit, an Bruno Pittermann und Bruno Kreisky, da wurde doch auch „die rote Katze aus dem Sack gelassen“ und die Schrecken des Kommunismus an die Wand gemalt. Jedenfalls hätte ich ohne Bruno Kreisky’s sozialdemokratische Politik nie studieren können. Ohne seine Schuldenpolitik zu verharmlosen, der soziale Friede in Österreich geht auch wesentlich auf sein Konto. Hier in Kolumbien kennt man nur die von den USA verbreiteten Schreckens-Visionen des Kommunismus. So etwas wie eine Sozialdemokratie nach dem Muster Deutschlands oder Österreichs können sie sich nicht vorstellen. Daher wären meine Urteile auch völlig fehl am Platz.
Was mich aber ärgert ist die Stellungnahme durch den Erzbischof von Medellin, am Montag. Er warnt vor dem Kommunismus. Dem politischen Establishment nach dem Mund zu reden zeugt nicht von Mut. Was hat er gegen Korruption, soziale Ungleichheit und Armut getan? Die Option der Kirche für die Armen zu verwirklichen würde ihm besser anstehen. Am Sonntag in der hl. Messe, bei den Verlautbarungen, erzählte der Zelebrant, dass sich Erzbischof und Priester getroffen haben, um ein wichtiges Problem zu besprechen, nämlich über Missstände in der Liturgie. Ihr Heuchler, es gibt in Kolumbien ernstere Probleme!

Ich würde dem Herrn Erzbischof dringend empfehlen, dass er die Gläubigen aufruft das Wahlergebnis zu respektieren, auch wenn es nicht den eigenen Wünschen entspricht, denn das ist konstitutiv für eine Demokratie und alles zu tun, um den Frieden zu bewahren, ja, gewiss, zu beten, aber auch zuzuhören und verstehen zu wollen und nicht die Waffen sprechen zu lassen. Wenn er sich nicht bekehrt und ein Bürgerkrieg ausbricht ist er mitschuldig. Gewalt der Worte und der Waffen entsprechen nicht dem Evangelium.


Euer etwas aufgebrachte Kurt Udermann aus Medellin


Medellin, am 6. März 2022

Auch hier in Kolumbien verstören die Bilder vom Kriegsschauplatz Ukraine. Die Sorge der Kolumbianer gilt natürlich in erster Linie der Evakuierung der Landsleute, die sich in der Ukraine als Touristen aufhielten oder dort beschäftigt waren. Krieg in Europa, das war für die Menschen hier fast undenkbar. Dazu kommt noch, dass man als Freund Amerikas von Russland sowieso nicht viel hält. Man hat ja immer schon gewusst…

Ich stelle mir freilich die Frage, warum der Westen, vor allem die USA und die Nato, immer wieder betonten, dass die Ukraine nicht in die Nato aufgenommen werde. Warum haben sie dann nicht dafür plädiert und zugestimmt, dass die Ukraine den Status eines neutralen Landes annimmt. Jetzt wird die Ukraine ein neutrales Land nach russischem Muster. Arme Ukrainer! Und wenn Putin isoliert ist und er von den eigenen Leuten davongejagt wird, was dann, welcher Oligarch kauft sich dann die Macht? Schrecklich leid tun mir die Menschen, die in dieses unsinnige Morden hineingezogen werden.

Was mich aber besonders erschüttert, das ist die Rolle der Kirchen. Wieso sind sie nicht in der Lage, die Soldaten zum Niederlegen der Waffen aufzurufen und auf den Wahnsinn aufmerksam machen, dass Glaubensbrüder, die an Jesus Christus und die Bergpredigt (angeblich) glauben, einander erschießen. Natürlich haben sich die russischen Staatenlenker die Kirche dienstbar gemacht, ihnen Privilegien verschafft und verfolgen zudem dieselbe Ideologie und Großmacht-Sucht (Putin und Metropolit Kyrill).

Ich füge hier einen Ausschnitt eines Interviews aus dem „regensburger digital“ ein: „Die russisch-orthodoxe Kirche war schon immer staatsnah, oder? Da muss man in der Geschichte etwas zurückgehen. Nach der Revolution 1917 wurde die Kirche in Russland und der Sowjetunion verboten. Erst 1943 hat Stalin die Metropoliten gesammelt und aufgefordert, einen neuen Patriarchen zu wählen. Seitdem war und ist die russisch-orthodoxe Kirche an der kurzen Leine – sowohl bei der sowjetischen wie auch jetzt bei der russischen Regierung. Es wird das gemacht, was von dort vorgegeben wird. Im Thronsaal von Kyrill stehen die Nationalflaggen der Staaten, in denen die russische Kirche vertreten ist. Er beansprucht die kirchliche Macht nicht nur in Russland, sondern auch im Ausland. Die dahinterstehende Ideologie der russisch-orthodoxen Kirche deckt sich mit der staatlichen Politik: das Konzept „Russkij Mir“, russische Welt. Können Sie das nähererläutern? Das Konzept „Russkij Mir“ kann man in meinen Augen zu einemgewissen Grad durchaus mit dem Islamischen Staat vergleichen. Diese Ideologie ist nicht von heute auf morgen entstanden. Dieses Konzept haben Russland und die russisch-orthodoxe Kirche schon seit Jahrhunderten entwickelt und verfolgt. Es war immer der Grund für Angriffe auf die westlichen Länder – Belarus, Ukraine, sogar Moldau. Patriarch Kyrill zitiert ständig ein Sprichwort: „Russland, Ukraine, Belarus – das alles ist heilige Rus.“ Zum „Heiligen Rus“ gehören alle Gebiete, die geschichtlich irgendwann einmal in politischer Abhängigkeit von Russland standen und am besten noch überwiegend orthodox sind oder waren. Und all diese Gebiete müssen demgemäß sowohl ein religiöser als auch ein staatlicher Monolith sein. Staatliche und kirchliche Ziele gehen also Hand in Hand? Putin hat 2007 eine Stiftung mit dem Namen „Russkij Mir“ gegründet. Vordergründig geht es um die Förderung und Verbreitung der russischen Sprache und Kultur. Das klingt erst einmal nicht schlimm –Deutschland hat ja zum Beispiel auch das Goethe-Institut. Aber mit der Propaganda für die russische Kultur wird auch Propaganda für russische Machtbestrebungen betrieben. Das beinhaltet Hetze gegen die, wie es in Russlandheißt, „sogenannten westlichen Werte“. Unter solchen Werten verstehen die Adepten von Russkij Mir z.B. die liberale Demokratie, die Akzeptanz von Homosexualität, religiöse und gesellschaftliche Pluralität – das lehnen sowohl der Staat wie auch die russisch-orthodoxe Kirche ab. Und sie betreiben gemeinsame Propaganda.

Im letzten Brief erwähnte ich das „wahlkampfbewegte Medellin“. Auch die Stiftung ist ein kleines Zentrum des Wahlkampfes geworden. Es wird aktiv unter den Kursteilnehmern um Stimmen geworben. Nicht fair, undemokratisch? Die Kursteilnehmer bezahlen nichts für die Kursteilnahme. Fühlen sie sich deswegen irgendwie verpflichtet der Wahlempfehlung der Leitung zu folgen? Andererseits, die beiden Kandidaten unterstützen nicht nur die Stiftung, sie verfolgen darüber hinaus eine Politik, die es den Kursteilnehmern erlaubt, ihre Produkte, die sie selbst hergestellt haben und deren Erzeugung sie hier erlernen, in kleinem Maßstab steuerfrei zu verkaufen. Wenn man bedenkt, dass in Kolumbien Stimmen gekauft werden, ist das wohl das geringere Übel. Aber nicht einmal sich die Stimme abkaufen zu lassen kann man einem Armen hier verübeln. Respekt habe ich vor dem großen Engagement im (gewaltfreien) Wahlkampf vieler Freiwilliger.

Der "Schönheits-Kurs  und der Schuh-Reparatur-Kurs

                   


 Liebe Grüße aus Medellin, Euer Kurt Udermann


Medellin, am 28. Februar 2022

Gestern war ich nicht im Einkaufszentrum Santa Fe beim Gottesdienst, sondern bei einem Marien-Heiligtum im Freien und gar nicht weit entfernt von meinem Domizil. Der Lautsprecher ließ zwar zu wünschen übrig, aber es war interessant den Gottesdienst dort mitzuerleben. Überhaupt ist Medellin nicht nur die Stadt des ewigen Frühlings, sondern auch die Stadt der Marienverehrung. Angeblich sind sogar Auftragsmörder zur Gottesmutter gepilgert, um im Voraus für die Seelen ihrer späteren Mordopfer zu beten.

                                                                                                                                                                         

Das Marienheiligtum ist auch nicht weit weg von dem Fahrstreifen, der am Sonntag für Spaziergänger, Läufer und Radfahrer freigehalten wird. Für mich wäre es um diese Zeit schon zu warm, um zu laufen. Jedenfalls ist es amüsant sich unter die Spaziergänger zu mischen, die sich unter anderem auch der zahlreicher als sonst vertretenen Straßenmusiker und sonstiger Darsteller erfreuen.

Heute möchte ich auch kurz einiges über die Stiftung erzählen, in der ich als Freiwilliger tätig sein darf. Die Gründung geht im entscheidend auf Padre Alberto Ramirez zurück. Mit zwei Gefährten wurde er in den sechziger Jahren nach Bamberg zum Studium geschickt. Bei der Familie Winkler in Weißenohe haben sie ihre Heimat in Deutschland bzw. Europa gefunden. Dieser großzügige und für die aus Südamerika stammenden Studenten hilfreiche Kontakt brach auch nach Beendigung der Studien in Bamberg nicht ab. Die drei in Bamberg geweihten Priester setzten an verschiedenen Orten Europas ihre Studien fort, in München, Rom und Löwen (Alberto Ramirez). Ort des Wiedersehens in den Semesterferien war Weißenohe geblieben.

Als die drei Theologen nach Kolumbien zurückkehrten wurden sie als Dozenten in unterschiedlichen Institutionen eingesetzt. Alberto verursachte die soziale Situation im Land schlaflose Nächte. Das führte schließlich zu verschiedenen Aktivitäten. Die Kontakte nach Deutschland erwiesen sich als sehr hilfreich. Es waren (und sind) besonders drei Familien und deren Freunde und Verwandte, die Alberto von Anfang an tatkräftig, ideell und finanziell unterstützten. Zunächst bei Kinderpatenschaften, dann bei der Errichtung einer „Ersatzheimat“ für Straßenkinder und einer Schule, die die Voraussetzung für den Einstieg in eine öffentliche Schule zu schaffen versuchte.

In den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts schließlich kam es zur Gründung der Stiftung wie sie sich auch heute noch präsentiert: Eine Ausbildungsstätte für Erwachsene einerseits und angeschlossen, gleich um die Ecke der Kindergarten. Parallel dazu wurde in Deutschland/Bayern die „Kolumbienhilfe Padre Alberto Ramirez“ ins Leben gerufen, die es ermöglicht, dass die Kurse gratis angeboten werden können und es Kaffee gratis gibt. Das Ziel der Stiftung besteht darin, den Menschen, Erwachsenen und Kindern, in dem von Armut, Gewalt und Drogenkriminalität heimgesuchten Stadtteil Nikitau die Chance zu bieten ein Selbstwertgefühl zu entwickeln und eine Tätigkeit zu erlernen, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen. So hat bei allen Kursen auch die Frage der Vermarktung ihren legitimen Ort.

Jedenfalls bin ich Zeuge vielfältiger Kurse, die Hilfe zur Selbsthilfe geben und des großen Interesses der Teilnehmer und des großen Engagementes der „Professoren“. Nicht geringzuschätzen sind die Beziehungen, die die Kursteilnehmer unter sich und die Kursteilnehmer mit den Lehrenden knüpfen, dem Motto entsprechend: „Wir gestalten unser Miteinander in Freiheit und Liebe.“

                                    

                      


                                                                     Koch und Mopphersteller im Einsatz

Herzliche Grüße aus dem wahlkampfbewegten Medellin, Euer Kurt Udermann


Medellin, am 20. Februar 2022

Im Unterschied zu den meisten anderen neu angekommenen Menschen aus Venezuela ist mein „Deutschschüler“ kein Flüchtling. Im Gegenteil, es fällt ihm nicht leicht, sich wieder hier einzugewöhnen. Er ist zwar vor 65 Jahren hier auf die Welt gekommen, aber als zehnjähriger mit elf Geschwistern und den Eltern nach Venezuela emigriert. So ist er kolumbianischer Staatsbürger. Er vermisst seine Freunde, er vermisst die vertraute Umgebung und vor allem seine Beschäftigung. Er unterrichtete an einer Akademie Erwachsene Englisch und war als Reiseführer hauptsächlich für Englischsprechende tätig. Seine Schwester hat ihn gebeten ihre drei Häuser hier in Medellin zu verwalten. Sie selbst lebt seit zwanzig Jahren in Australien und hat in nächster Zeit vor in die Heimat zurückzukehren. Unser Mann aus Venezuela besucht in unserer Stiftung zwei Computer-Kurse. Er hofft, über Internet Interessenten für seine Sprachkurse zu finden. Ich kann mir vorstellen, dass er ein guter Englischlehrer ist. Jedenfalls spricht er nicht nur hervorragend Deutsch, er schwört auch auf die deutsche Pünktlichkeit (und praktiziert sie).

Höhepunkt der vergangenen Woche war die Fahrt in die wohl ärmste Gegend der zweitgrößten Stadt Kolumbiens. In einer Schule (Gymnasium) hatten wir die Gaben eines edlen Spenders abzugeben. Mir war die Gegend nicht unbekannt. Als ich bei meinem ersten Kolumbienaufenthalt hier in Medellin war, brachte mich meine Führerin zunächst mit der Metro bis zur Endstation und dann fuhren wir mit der „Metro-cable (Gondel)“ auf den Berg, von dem die „Spanische Bibliothek“ quasi als Wahrzeichen zur Auffahrt einlädt. Ein Geschenk Spaniens an die Stadt. Aus der Gondel wurde das Elend dieses Viertels sichtbar. Auf ihre Metro, die die veranschlagten Kosten bei weitem überschritt, sind die Paisas (so werden die Menschen hier genannt) allerdings sehr stolz. Und sie ist mindestens so sauber wie die U-Bahn in Wien. Warum? Weil Studenten Bewusstseinsbildung betrieben haben: Es ist unsere Metro, von unseren Steuergeldern bezahlt, wir sind dafür verantwortlich, dass sie rein bleibt. Als ich erwähnte, dass man sich hier auf den Boden setzen und essen könne, rief sie entsetzt: „Tu das nicht. Da kommt sofort jemand und macht die klar, dass man das hier nicht tun darf.“ Später warb man mit dem Slogan: Zu Hause sei es so sauber wie in der Metro und dem „Metro-cable“.

Wir allerdings waren mit dem Auto auf den Berg unterwegs. Anfangs war es mit den Eindrücken noch nicht gar so schlimm. Als dann die Asphaltstraße von einem Schotterweg abgelöst wurde, verschlechterten sich auch die Zustände aller anderen Gebäude. Mehr Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche, einige in Schuluniform adrett gekleidet, andere wiederum sehr ärmlich und schmutzig. Zwischen den Häusern die Wassertanks, die von der Gemeinde aufgefüllt werden, wo die Menschen ihren Wasserbedarf in Flaschen füllen und nach Hause tragen. Seitdem murre ich nicht mehr über meine kalte Dusche. Übrigens sah ich auch Benzin und Diesel in Flaschen zum Verkauf angeboten.

Als wir an unserem Zielort angekommen waren, befanden sich Schüler und Schülerinnen im Gelände vor den Schulgebäuden. Sie trugen keine Uniformen. Zwei Burschen kamen sofort auf mich zu und verwickelten mich in ein Gespräch. Schließlich bekamen wir eine Führung von einem jungen Redemptoristen-Pater, der dort beschäftigt ist. Schulgebäude und das ganze Areal ist wie eine Insel in dieser armseligen Gegend. Ich frage mich immer wieder, was aus den jungen Menschen wird, die doch eine relativ gute Schulbildung bekommen. Was prägt mehr, das, was sie zu Hause sehen oder was sie in der Schule lernen? Welche Chancen habe sie, wenn sie bei Bewerbungen abgelehnt werden, nur weil sie aus dieser Gegend kommen? Andererseits, wenn sich vielleicht nicht in jedem Haushalt ein Fernseher befindet, ein Handy, so scheint es, haben (fast) alle. So müssten doch alle wissen, wie schädlich der Müll vor der Haustüre ist. Wieso rafft sich niemand auf und beseitigt den Dreck? Fühlen sie sich nicht dafür zuständig? Diese Einstellung ist eine weltweit verbreitete Krankheit.

Herzliche Grüße aus dem verregneten Medellin. Offenbar hat die Regenzeit begonnen. Euer Kurt Udermann


                                  

                                

     

Medellin, am 13. Februar 2022

Wie an den letzten drei Sonntagen nahm ich heute an der Hl. Messe im Einkaufszentrum Santa Fe teil. Hier wird darauf geachtet, dass zwischen den Sesseln genügend Abstand eingehalten wird und, dass alle ihren Mundschutz tragen. Wenn ich ziemlich weit vorne sitze, dann verstehe ich den Priester sehr gut. Dieser ist übrigens sehr sympathisch und wie viele sagen würden „volksnah“. Man spürt seine Beliebtheit wenn er kommt und nach dem Gottesdienst, wenn er noch mit den Leuten spricht und sie segnet.

Jedenfalls war ich heute sehr gespannt was er zum Evangelium sagen wird. Es ging um nicht mehr und nicht weniger als um die Seligpreisungen und Wehrufe der „Feldrede“ (bei Matthäus ist es die Bergpredigt) des Evangelisten Lukas (Lk 6,17.20-26 ). Die Lesung aus dem Buch Jeremia bot ihm die Flucht über das Vertrauen in Gott zu reden. Natürlich sprach er dann auch über die Armen und die Reichen. Wenn er auch sonst keinen Vergleich mit der Bergpredigt angestellt hat, öffnete sie ihm einen Flucht-Weg, um über die „Armen im Geiste“ reden zu können. Er kenne Reiche, die ihren Reichtum nicht hervorkehren und „bescheiden“ sind. Denn entscheidend sei ja nicht, was wir haben, sondern, was wir sind. Na Ja!!! Es ist leicht zu „sein“, wenn man (alles) hat. Übersehen hat der liebe Herr Pfarrer, dass eigentlich er persönlich angesprochen ist. Bist du ein Reiche oder ein Armer unter den Jüngern? Jesus spricht hier vor allem zu den Zwölf und den Jüngern (natürlich gilt es im weiteren Sinne auch für alle Getauften). Unter ihnen, den Aposteln und den Jüngern, gibt es die Armen und die Reichen. Solche also die hungern nach Gerechtigkeit vor allem innerhalb der Kirche und außerhalb, solche, die über den Zustand der Kirche weinen und trotzdem nicht aufgeben und ihrem Bekenntnis zu Christus und zur Kirche treu bleiben. Bei den Wehrufen finde ich interessant, dass hier das „gelobt-werden-wollen“ und „beliebt-sein-wollen“ auf Kosten der Wahrheit des Wortes Gottes der falschen Propheten angesprochen wird.Wie lesen unsere Kleriker und Bischöfe und Prälaten diesen Text? 

Mein Prediger fand kein Wort darüber, dass in der Nachfolge Jesu die Solidarität mit den Armen, den Brüdern und Schwestern, die ohne Arbeit sind, die hungern, die Gewalt leiden, denen keine Chancengleichheit zugestanden wird, fundamental ist. Man muss ja nicht zur Revolution aufrufen, aber wenigsten zum Öffnen der Augen, dass es außer den bewachten Vierteln der Wohlhabenden auch noch andere, nämlich Elends-Viertel in der Stadt des ewigen Frühlings gibt.

Man hat der Befreiungstheologie vor Jahrzehnten den Garausgemacht. Von der Kirche ist offenbar kein Beitrag zur Änderung der ungerechten Verhältnisse zu erwarten. Mich erinnert das sehr an die Entfremdung Arbeiter und Kirche und den Verlust der Arbeiterschaft in unseren Breiten.

Die vergangene Woche war voller Ereignisse, nicht nur gab es den schrecklichen Erdrutsch mit 14 Todesopfern im Westen Kolumbiens und die Meldung, dass Egan Bernal (Tour de France-Sieger 2019) nach seinem schweren Unfall mit dem Rad erfolgreich „zusammengeflickt“ worden ist. Jeder neue Tag in der Stiftung brachte seine Überraschung.

Anfangs der Woche ging ich mit einem Mitarbeiter zum Passamt. Das befindet sich in der „Alpujarra“ von Medellin. Die Gemeindeverwaltung mit Bürgermeister und Gemeinderat, sowie die Verwaltung des Landkreises Antiochia und ihre Regierung sind dort untergebracht. Charakteristisch sind die Schlange stehenden Menschen, nicht nur wegen Corona. Hier sind die Beamten noch, was sie auch bei uns einmal waren. Inmitten des Platzes, den die Verwaltungsgebäude umgeben steht ein imposantes Denkmal.

Beim Warten sprach mich ein Peruaner an, der in den USA lebt, dessen Freundin auch in einer Schlange stand, um eine Auskunft zubekommen. Er erzählte mir wilde Vorkommen von Bandendiebstählen in Bogota. Venezuela-Flüchtlinge ohne jegliche Unterstützung schrecken offenbar vor nichts zurück.

In der Stiftung gab es einiges Interessantes zu erleben. Da gab es an einem Vormittag den Kurs „Allgemeine Schönheit“, in dem das Haare-Schneidengelehrt wurde. Theorie und Praxis im Anschauungs-Unterricht. Das Interesse war enorm.

Zu wenig Plätze gab es auch im Kurs für Anfänger im Umgang mit dem Computer. Mit einem eigenen Programm können die Interessierten ihre ersten Schritte mit dem Rechner üben. Am Nachmittag war beim Back-Kurs der Zulauf nicht minder groß. Ein junger Koch hat sehr charmant den Teilnehmererklärt und vorgezeigt wie Brownies hergestellt werden. Nicht zuletzt hat er ihnen die Preis-Kalkulation für den Verkauf auf der Tafel nahegebracht. Nicht wenige von ihnen wollen sich mit dem Verkauf von Backwaren auf Märkten oder auf der Straße etwas dazuverdienen oder ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Auch dem „Besenbinden und der Herstellung von Mopps“ schaute ich zu. Ein Ureinwohner („Indio“ will Jose nicht hören, denn die wohnen bekanntlich in Indien) leitet den Kurs. Er nimmt maximal acht Teilnehmer, weil jeder selbst Hand anlegen muss.

Ein Teilnehmer des Computerkurses hat mich auf Deutschangesprochen und mich gefragt, ob ich bereit wäre mit ihm Deutsch zu reden. Mich erstaunte sein grammatikalisch korrektes Deutsch. Wir vereinbarten für heute eine Stunde.

In den „Selbstermächtigungs-Kurs“ kamen zwei Vertreterzweier Kandidaten derselben Partei für die Wahl in den Senat und die Kammer von Medellin bzw. Antiocha. Da habe ich einen Eindruck von den heißblütigen Wahlversammlungen Südamerikas bekommen. Das waren keine Funken mehr, die da sprühten, sondern Flammen-Werfer, und das im mehrheitlich von Frauen besuchten Kurs. Aber das sei eben Demokratie, dass alle ihre Meinung sagen dürfen, ob emotional oder beherrscht.

Am Mittwoch mussten wir wieder zu Fuß nach Hause gehen, weil an diesem Tag die Regelung „pico y placa“ meinem Chauffeur verbietet mit seinem Auto in der Stadt zu fahren. Hin hatten wir eine Mitfahrgelegenheit. Nach Hause gingen wir eine Stunde zu Fuß.

Frühlingshafte Grüße aus Medellin, Euer Kurt Udermann


Sonntag, 6. Februar 2022 - Medellin

Am Dienstag fand mein erster Arbeitstag in der Stiftung „Solidaria Padre Alberto Ramirez“ statt. Einen Teil-Eindruck möchte ich in einer Geschichte zum Ausdruck bringen, die ich vor vielen Jahren zum ersten Mal gehört habe und die mir bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder in den Sinn kam. Es ist eine denkwürdige-wahre Geschichte, die ihre Aktualität wohl nie verliert. Sie ist mir so in Erinnerung: „Eine Pfarre besitzt nicht mehr als eine Baracke. Sie dient als Ort der Versammlung, der Begegnung und der Feiern. Unterschiedlichste Aktivitäten finden in den irgendwie einladenden, aber doch sehr einfachen Räumen statt. Immer wieder wird improvisierend die Hand angelegt, um neuen Bedürfnissen und Anforderungen zu entsprechen. Fast jeder, der in diesem Gebäude aus- und eingeht hat irgendetwas am Gemäuer oder an der Ausstattung beigetragen. Alle fühlten sich wie zu Hause. Nicht zu vergessen, auch die Wort-Gottesdienste und Eucharistiefeiern wurden in der Baracke gefeiert. Vielleicht sogar sehr ähnlich dem Ort, an dem Jesus mit seinen Jüngern das Abendmahl gefeiert hat.

Jedenfalls fühlten sich die Behörden genötigt die Baracke zu schließen und ihren Abbruch zu fordern, aus Sicherheitsgründen und auch wegen mangelnder Hygiene lauteten die Argumente. Auch der Bischof befand, dass die Gottesdienste in einen würdigeren Rahmen gehören. Schweren Herzens wurde dankbar von der Baracke Abschied genommen und der Neubau begann, großzügig gefördert von Diözese, Gemeinde und Land. Nicht plangemäß, aber doch ohne allzu große Verzögerung waren die kleine Kirche und das Gemeindezentrum fertiggestellt. Dem Neubeginn stand nichts mehr im Wege. Aber das Gemeindeleben lief nur stotternd an. Die Menschen fühlten sich fremd in den Gebäuden. Da war nichts, was sie beigesteuert haben, was aus ihren Händen oder Herzen an Ideen und kreativen Schöpfungen erwachsen war. Den neuen Räumen fehlte irgendwie die Seele. Viele hatten ihre Heimat verloren.“

Mir kam diese Erzählung in den Sinn, weil erstens von außen der Eindruck des Gebäudes, in dem sie Stiftung untergebracht ist, nicht gerade einladend ist und im Inneren das Hirn sagt: Substandard und darunter. Nun handelt es sich um einen der ärmsten und gefährlichsten Gegenden von Medellin an dem sich die Stiftung befindet. Also fällt sie mit dem Zustand ihrer Räume nicht aus der Rolle.

Allerdings hat mich während der Woche die große Zahl derer, die an einem Fortbildungskurs teilnehmen beeindruckt, was mich aber auf die Geschichte brachte war zweitens die herzliche Atmosphäre, die in den Räumen spürbar ist. Das hat nicht nur damit zu tun, dass alles gratis ist, auch der Kaffee in der Pause. Die Kursbesucher sind sehr dankbar, dass sie die Möglichkeit für diese Art der Fortbildung haben.  Ich denke an die Computerkurse, an die Englischkurse, aber auch an die handwerklichen Kurse.  Für die Teilnehmer und für viele Lehrer ist die Stiftung Heimat. Die LehrerInnen freilich bekommen ein bescheidenes Gehalt, zur Verfügung gestellt vom Freundeskreis des Begründers in Deutschland (Kolumbienhilfe Alberto Ramirez). Ich habe mich in (fast) allen Kursen vorgestellt und habe zu geistlichem Austausch, Beichtgelegenheit und Gottesdienstfeiern eingeladen. Da es im Englischkurs in der Gruppe sowohl Fortgeschrittene und Anfänger gibt, habe ich den Anfängern angeboten mit ihnen zu üben.

Eine sehr bereichernde erste Arbeitswoche liegt hinter mir. Ich bin sehr dankbar dafür und grüße Euch sehr herzlich aus der Stadt des ewigen Frühlings,
Euer Kurt Udermann

Sonntag, 30. Jänner 2022 - Medellin

Als ich gestern, am Samstag, durch die 43er (Straße) ging fielen mir wieder die Straßenakrobaten auf. Während die Ampel für die Autofahrer auf Rot steht, vollführen sie ihre Künste. Einer hat sogar auf einer Nebenstraße ein Seil gespannt, auf dem er stehend und gehend seine Bälle in die Luft warf und fing. Dennoch, gestern am Samstag, waren die Straßen viel weniger frequentiert als an den anderen Tagen der Woche.

Kolumbien trauert über das verlorene Fußballspie am Freitag gegen Peru (0:1). Die Teilnahme an der Fußball-WM in Qatar ist damit wohl ausgeträumt. Die Reaktionen in den Medien nach einem verlorenen Match unterscheiden sich nicht von denen in Österreich. Noch ein Grund zur Trauer: Der schwere Rad-Unfall von Egan Bernal. Das ganze Rad-Besessene Land trauert und betet. Zuletzt hat sich seine Mutter zu Wort gemeldet, auch Egan selbst. Die Konsequenzen seines schweren Sturzes sind noch nicht abzusehen.

Die Woche sonst war geprägt von Erkundungsgängen. Ich habe mir Pläne der näheren Umgebung gezeichnet und bin losmarschiert. Es wurde mir klar, dass ich in einem Viertel wohne, wo die Reicheren zu Hause sind. Die Vegetation ist prachtvoll. Es gibt viel Grün zwischen den Wohnanlagen. Die Wohnblöcke sind alle bewacht. Die Ein- und Ausfahrten sind mit Schranken versehen. Ein oder mehrere Pförtner wachen in ihrem „Bunkern“. Ins Zentrum der Stadt sollte ich lieber nicht allein gehen. Angeblich bestehlen venezulanische Flüchtlinge die Touristen mit brutalen Methoden.

Zwei Schlagzeilen ließen mich staunen: „Ein Mann, der angeblich tot sein sollte, stand von einem Tisch im Leichenschauhaus auf.“ Die zweite: „67 Jahre ohne Baden! Der dreckigste Mann der Welt überraschte Ärzte mit seiner guten Gesundheit.“ Wenn ich an das kalte Wasser bei der morgendlichen Dusche denke, kann ich ihn fast ein bisschen verstehen.

Am Dienstag öffnet die „Stiftung“ ihre Tore und der Ernst des Lebens beginnt.

Liebe Grüße aus Medellin, Euer Kurt Udermann


Sonntag, 23. Jänner 2022 – Medellin

Knapp mehr als eine Woche bin ich nun in Medellin, der zweitgrößten Stadt Kolumbiens, der Stadt des ewigen Frühlings. Am Freitag, dem14. Jänner startete ich mit der Air-France vom Flughafen in Wien Schwechat zur Unzeit um 6:15 Uhr. Das bedeutet, dass ich zwei Stunden vorher an Ort und Stelle sein sollte. Frühstück, Weg zum Bahnhof Praterstern und eine halbstündige Fahrt mit dem Zug bedeutete, dass ich um 3:00 Uhr aufstehen musste.

Weder verschlief ich, noch hatte der Zug Verspätung, noch gab es beim Einchecken Probleme. Also konnte ich in Ruhe dem Abflug entgegenwarten. Von ca. 8:30 Uhr bis 16:00 wartete ich dann in Paris auf den Anschlussflug. Viel Zeit zum Lesen und Filme schauen. Die Maschine von Paris nach Bogota war ziemlich voll. Die Nacht verbrachten die meisten Fluggäste das reichhaltige Film- und Musik-Angebot nutzend. Kurz nachdem uns das Frühstück serviert wurde mussten wir uns für die Landung bereit machen. In Bogota musste ich in eine Avianca-Maschine umsteigen. Pünktlich um 23.35 Uhr kam ich in Medellin an. Ich wurde abgeholt und in mein Domizil verfrachtet. Aber nachdem für uns der nächste Tag anfing willigte mein Körper nicht ein zu schlafen. So lag ich wach im Bett, froh, dass die ganze Reise gut verlaufen war. Am Samstag war ich noch durch den Wind, aber am Sonntag war ich wieder voll einsatzfähig.

Der Mitarbeiter, der mich am Flugplatz abgeholt hatte, hat mich eingeladen am Sonntagsausflug, den er regelmäßig mit seiner Mutterunternimmt, teilzunehmen. Wir fuhren durch eine äußerst fruchtbare Gegend ca.40 Minuten nach San Pedro de Milagros, nördlich von Medellin. Die Stadt zählt17.000 Einwohner. Hauptattraktion des Ortes ist die Basilika „Senor de los Milagros (Herr der Wunder)“, die in kindlichem Nazarenerstil erstrahlt. Und da war auch das Bild mit dem Engel, der über die zwei Kinder wacht, die über eine Brücke gehen. Stündlich wird am Sonntag ein Gottesdienst gefeiert und die Kirche ist immer voll. Ich war derart überrascht, dass ich fragte, ob ein besonderes Festgefeiert wird. Aber nein! Ein ganz normaler Sonntag. Wir nahmen zuerst das Mittagessen ein und nach einem kurzen Spaziergang besuchten wir den Gottesdienst. Bei der Hin- und Rückfahrt bestaunten wir die Parapentes(Paragleiter) über uns.

Bis 1. Februar habe ich Zeit zum Eingewöhnen. Bis dahinsind Ferien. Ich wohne in einer sicheren Gegend in einem Hochhaus im 2. Stock in einem eher besseren Viertel der Stadt. Die Stiftung befindet sich allerdings in einem Armenviertel von Medellin. Überhaupt sind die sozialen Unterschiede sehr groß und sichtbar.

Ich bin die nähere Umgebung abgewandert. Die riesigen Supermärkte überraschen mich immer wieder. Manchmal nehme ich in einem von ihnen das Mittagessen ein. Es ist schwer sich für eines der zahlreichen Restaurants zu entscheiden. „Panamericana“ ist nicht nur der Sammelname für die Straßenverbindung von Alaska bis zum Feuerland, sondern auch eines Geschäftes mit einer riesigen Buchhandlung und vielen anderen Waren wie Büroartikel, elektronische Geräte und Schulsachen. Mir ist bewusst geworden welche wirtschaftliche Bedeutung die Schule hat. Eltern mit ihren Kindern überschwemmten die Schulartikel-Abteilung.

In fast jedem Supermarkt gibt es auch ein Kino. Am Dienstag sah ich den Film: House of Gucci. Interessant, aber ebenso bedrückend.

Liebe Grüße aus Medellin, Euer Kurt Udermann

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Ich stehe Ihnen gerne als Coach zur Verfügung, um Ihnen in Fragen der persönlichen Entwicklung (personal coaching), der beruflichen Tätigkeit und der Führung eines Betriebes (business coaching), sowie in der Frage nach Sinn und Gesamtzusammenhang (spiritual coaching) neue Sichtweisen und kreative Lösungen zu finden.
Kurt Udermann